Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

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ist in Alkohol schwer löslich; der ungelöste Rest von 2 Gramm muh also auf 
dem Boden des Glases gesessen haben, und diesen Bodensatz restlos auszu 
schlürfen, wird so leicht keinem einfallen, eine solche Erwägung hat die Xlnter- 
suchungsbehörde zwar nicht angestellt, wir werden aber auf Grund derselben 
an einen vorbedachten Selbstmord glauben müssen. Das Publikum wie der 
Kurprinz Friedrich Wilhelm haben dagegen die Überzeugung festgehalten, 
datz Bechstädt vergiftet worden sei, und datz der Giftbecher nicht dem Diener, 
sondern dem Herrn gegolten habe. Da der Prinz nur einer Person im Wege 
stand, die er, und die wiederum ihn hatzte, und diese Person die Gräfin Reichen 
bach war, so wurde der Nordplan ihr zugeschoben. Nan hielt sie des aben 
teuerlichen Gedankens fähig, ihre eigene Rachkommenschaft auf den Thron 
bringen zu wollen — eines Gedankens, der bei dem Vorhandensein sukzessi 
onsberechtigter Rebenlinien gar keine Aussicht auf Verwirklichung gehabt 
hätte. Der Kurfürst beschäftigte sich eingehend mit der Untersuchung und war 
sehr ärgerlich über Dr Bäumler, datz dieser nicht zeitig genug zur Stelle ge 
wesen sei, was er freilich auf besseren Bericht wieder zurücknahm. 1 ) Gleich 
wohl ist das gänzliche Verschwinden der Vntersuchungsakten auffällig und 
unaufgeklärt. 6s könnte sich, wenn die öffentliche Neinung recht hätte, 
nur um einen Racheakt gehandelt haben, dessen plumpe Ausführung im 
Falle des Gelingens dem Verstände der Attentäter geringe Ehre gemacht hätte. 
Jedenfalls hat der geheimnisvolle Tod des Eakaien die Frucht getragen, datz 
die Gräfin in der Bürgerschaft fortab mit noch größerem Hasse angesehen 
wurde als zuvor. 
Ob sie Empfindung dafür hatte? Jhr Auftreten nach autzen hin war 
nicht derart, datz man daran hätte glauben können. Sie blieb auf ihrem Posten, 
umworben und umschmeichelt von zahllosen servilen Individuen, die durch 
sie beim Kurfürsten sich in Gunst zu setzen suchten, und ungerührt durch die 
neue Sensation, die das nächste Jahr brachte, und die das Gemüt ihres Ge 
liebten bis in feine tiefsten Tiefen aufregte. 
Kurfürst Wilhelm II. hatte mit zynischer Brutalität bereits Ende des 
Jahres 1821 an feine Gemahlin die Zumutung gestellt, bei den Festlichkeiten, 
welche die Reichenbach im kurfürstlichen Palais veranstaltete, zugegen zu 
sein, ein Verlangen, welches die fürstliche Frau als unvereinbar mit ihrer Ehre 
und mit Hinweis auf ihre erwachsenen Töchter zurückwies. Gleiche Zumu 
tungen hatte der Kurprinz, der in Joseph Naria von Radowitz, damals kur 
hessischem Hauptmann von der Artillerie, seinem militärischen Erzieher, 
1) S. Auszug aus Bäumlers Tagebuch (Zeitschr. Hessenland, Jg. 16, Seite 149 ff.) 
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