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Die Ahnung einer bevorstehenden Katastrophe hatte eben alle Gemüter er
griffen, und trotz des Generals Allix Bericht von dem fluchtartigen Abzug
der Russen durchliefen immer neue Gerüchte die Stadt, daß der feind wieder
im Anzug sei. Der General selbst traute dem frieden so wenig, daß er in der
nächsten Tlacht das Militär auf dem friedrichsplatze biwakieren ließ.
Der Dormittag des 30. September verlief ruhig, kein feind zeigte sich,
und man glaubte alle Gefahr beseitigt. Da hieß es, als die Bürger eben vom
Mittagsessen aufstanden: Die Russen sind wieder da! Alles eilte auf die Bellevue
und die Rennbahn, um sie zu sehen. Sie rückten auf der Leipziger Straße
heran, machten wieder auf dem f orst halt und fuhren hier acht Geschütze auf,
aus denen bald die Kugeln nach dem friedrichsplatze in das Biwak der Garnison
hinüberflogen. Jm Ru waren die Scharen der Reugierigen zerstoben. 6ine
Deputation der Bürgerschaft begab sich zu Allix, um ihn zur Kapitulation
zu vermögen, da Cassel eine offene Stadt und jeder Widerstand fruchtlos
fei. Doch der General erklärte, daß er dem erhaltenen Befehl, Cassel bis auf
den letzten Mann zu verteidigen, pünktlichst nachkommen werde.
Da bemächtigte sich eine gewaltige Aufregung der Bürgerschaft, insbe
sondere der Jugend. Der Haß und die Erbitterung gegen die fremden Ge
walthaber, das deutsche Uolksgefühl kamen zum Durchbruch, man erinnerte
sich der Worte der russischen Offiziere bei ihrem ersten Abzug, daß sie geglaubt
hätten, als Befreier mit Jubel empfangen zu werden, und daß sie bei ihrer
Wiederkehr, daß dies nicht geschehen, die Stadt entgelten lassen würden.
Ganze Haufen entschlossener Jünglinge durchzogen die Straßen und schickten
sich an, die Stadttore mit Gewalt zu öffnen, so daß das Militär die Waffen
auch gegen sie wenden mußte. Da schwieg auf einmal der Kanonendonner,
und ein russischer Parlamentär wurde mit unendlichem Jubel durch die
Straßen zum Mairiegebäude geleitet, wo am Abend noch die Kapitulation
unterzeichnet wurde.
Mit stummem Entsetzen sahen die franzosen und franzosenfreunde das
westfälisch-französische Kontingent abmarschieren. Doch die hiesige einge
sessene Bevölkerung betrug sich musterhaft gegen sie, sie ließ sich keinen Akt
der Ausschreitung, selbst gegen die verhaßte Polizei, die solches vollauf ver
dient hätte, zuschulden kommen. Rur gegen den allgemein verwünschten
Urheber all des Leides, das man feit Jahren erduldet, der die Jugend des
Landes seinem unersättlichen Ehrgeize geopfert, um derentwillen noch jüngst
mancher, der sich der Konskription zu entziehen versucht, auf dem forste
draußen durch Pulver und Blei geendet hatte, machte sich bezeichnender
weise der Groll, der die Herzen beseelte, Luft. Roch am Abend des 30. Sep-
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