Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

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im großen Saale der Bibliothek zubehauen wurden. Die Bücher, mit Staub 
und Schmutz bedeckt, blieben jahrelang mit Tapeten verhangen, entgingen 
aber trotzdem nicht den Diebesfingern der westfälischen Baumeister. Das 
Standbild Friedrichs, zersägt, ward in einen offenen Stall neben der Post 
geworfen, wo es von Postknechten und Vorübergehenden verunreinigt und 
verunglimpft wurde. 1813 auf Geheiß Kurfürst Wilhelms I. durch den Bild 
hauer Kühl wiederhergestellt, wendet die Statue jetzt das Angesicht in der umge 
kehrten Richtung wie früher. Jeröme zeigte nicht das mindeste Verständnis 
für Kunst und Wissenschaft. Das alte Schloß ließ er durch Abtragung der 
hohen Giebel und Erker an der südwestlichen Fassade, die durch eine nüchterne 
Holzbalustrade mit scheußlich gelbem Anstrich ersetzt wurden, verschandeln; 
die großartige Kolonnade vor dem Schloß wurde durch Gardisten demoliert 
und an ihrer Stelle ein wüster Platz inmitten der Stadt geschaffen. Von den 
in den Museen und im Schloß noch vorhandenen und nicht weggeschleppten 
Kunstwerken wurde manches verschleudert, um ihm aus der Geldklemme 
zu helfen. Ein Buch hat er in der Zeit seiner Regierung kaum gelesen. 1 ) 
Die Oper und das Schauspiel mochten schlecht sein. Die Königin schreibt 
von ihrem ersten Theaterbesuch — man gab die Mozartsche Oper „Titus“ — 
in ihrer moquanten weise, daß sie Mühe gehabt habe, sich des Eachens zu 
enthalten. Jhr Gemahl hatte auf die Kunde, daß man für den ersten Abend, 
an welchem die allerhöchsten Herrschaften das Theater besuchen würden, die 
Eintrittspreise auf das Doppelte erhöht habe, verfügt, daß dies nicht geschehe. 
Er wolle von seinen Untertanen nicht für Geld gesehen sein, sagte er, und be 
fahl, der Theaterkasse den Ausfall der Einnahmen aus feiner Privatschatulle zu 
ersetzen. So etwas mußte gefallen. Aber das Benehmen der Königin und daß 
man schon nadsdem ersten Akte das Theater verließ, zerstörten den guten Ein 
druck. Daß man nicht lange nachher die deutschen Schauspieler wegjagte und 
durch aus Braunschweig hergeholte Franzosen ersetzte, war eine Härte, die^sehr 
übefaufgenommen wurde, und obendrein eine Herabsetzung des Deutschtums. 
Aberhaupt wurde die Stadt bald von einer Menge französischer Aben 
teurer überschwemmt; die ärgste Tlepotenwirtfchaft griff um sich; die ein 
flußreichen Ämter waren fast nur in Händen von Franzosen, und trotz den 
Warnungen des Kaisers wurde in den höheren Zweigen der Verwaltung 
die französische Sprache ausschließlich zur Anwendung gebracht, wie denn 
Jerömes angeborene Trägheit es nicht zuließ, daß er, wie es der Wunsch 
1) S. u. a. Kleinschmidt: Geschichte des Königreichs Westfalen. Gotha 1893. 
5. 46ff. 
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