tronatsrechtes über die St. Cyriakuskirche und über die weiter hier entstehenden
Gotteshäuser der erste Geistliche des Ortes. Er ist nicht dem Erzpriester zu
Dietmelle subordiniert, und Cassel ist in kirchlicher Hinsicht eine Immunität,
Und in dieser Richtung hat sich die Entwickelung auch in weltlicher Beziehung
vollzogen; denn wir finden in der folge an der Spitze der hiesigen Verwaltung
einen Vogt oder Villicus (bezw. in älteren Zeiten deren zwei), der nichts als
gräflicher Beamter, richtiger: Beamter des Grafen als Vogtes von Häu
fungen, ist. Die Heraushebung des Ortsbezirks Cassel aus dem allgemeinen
Candgerichtsuerband ist zweifellos auf die alte Zugehörigkeit zum Kloster
Kaufungen zurückzuführen, die indessen nach dem schon genannten Privileg
Kaiser Heinrichs II. das Erscheinen der Vogteileute vor den drei ungebotenen
Dingen des Grafengerichts nicht hindern sollte. Denn königliches Krongut
schied keineswegs vollkommen aus dem Grafschaftsverbande aus; die hohe
Gerichtsbarkeit blieb dem Grafen auch über die fiskalinen. 1 ) Archidiakon
in geistlicher und Graf in weltlicher Beziehung stehen also hier nebeneinander.
Dürfen wir sonach in der Urkunde König Friedrichs I. für Ahnaberg
vom Jahr 1154 die letzte Äußerung der einstigen Königsgewalt über Cassel
erblicken, so ist seit der Gründung dieses Klosters die Reichsvogtei ganz in
Vergessenheit geraten. Die Entwickelung Cassels tritt nunmehr in ein neues
Stadium. Da Ahnaberg, wie jede klösterliche Neugründung, zum Ausbau
seiner Kirche Reliquien und Ablässe erwarb, so mußte dies einen steigenden
Verkehr, ein Herzuströmen von Gläubigen, und, in Anbetracht datz die anderen
Voraussetzungen, wie Stratzenzüge und dergl., gegeben waren, eine erhöhte Ent
wickelung des Marktverkehrs zur folge haben. Die Sicherung des Marktes aber
und die dem Candesherrn erwünschte Hebung von Handel und Gewerbe gab
diesem die festigung des hiesigen Ortes mit Mauer und Turm an die Hand,
und damit entstand die Stadt, die ausserdem noch dem Gründer und Stadt
herrn den praktischen Zweck, im Kriege militärischer Stützpunkt zu sein,
erfüllte. Während 1152 und 1154 Cassel noch als villa (Dorf) bezeichnet wird,
wird in der schon oben erwähnten Urkunde aus der Zeit von 1180 der Villicus
Rudhard dahier genannt, worunter der Schultheiß eines bereits städtischen Ge
meinwesens zu verstehen ist, und in einer weiteren von Eandgraf Cudwig III.
von Thüringen vor 1189 ausgestellten Urkunde wird Cassel ausdrücklich als
civitas, d. h. als Stadt bezeichnet 1 2 ) und mit anderen thüringischen Städten,
1) Eichhorn, Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, § 86 u. Dopsch, Wirt
schafts-Entwicklung der Karolingerzeit, S. 144. — Elitsch: Untersuchungen zur mittel
alterlichen Uogtgerichtsbarkeit. Bonn 1912.
2) Siehe D oben eck er, Regesta dipl. hist. Thuringiae a. a. 0., Nr. 834.
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