Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

Ämter am Diemelstrom einmarschiert seien. Es waren die Dortruppen eines 
Korps von 4 Brigaden Jnfanterie und 20 Schwadronen Reiterei, die aus dem 
Lager bei Bielefeld unter dem Befehl des Marquis de Contades abgerückt 
waren, um uon Hessen Besitz zu ergreifen. Eine Deputation der Regierung, 
bestehend aus dem in Vertrauensstellungen hochbewährten Oberstallmeister 
uon Wittorff, dem Kammerjunker u. Münchhausen und dem Kammerrat 
Ludemann, begab sich zu Contades, um ihn, da sich das Band freiwillig unter 
werfe, um schonende Behandlung anzugehen. 6r erklärte, datz er, solange 
12000 Hessen gegen Frankreich im Felde stünden, das Band nicht als ein neu 
trales ansehen könne. Und der Oberkriegskommissär Foulen, den die Depu 
tation in Ularburg aufsuchte, ein Mensch uon brutaler Habgier, lietz noch 
weniger auf eine gute Behandlung hoffen. Am Abend des 13. Juli trafen 
12000 Franzosen bei Tliederuellmar ein und schlugen hier ein Bager auf, indes 
Foulon mit zwei Grenadierkompagnien uom Regiment Dauphin uor dem 
Müllertore erschien. Tlachdem die Bandgrenadiere, welche in der Residenz 
den Ulachtdienst uersahen, eiligst sich aus dem Staube gemacht hatten, wurde 
das Tor geöffnet und uoran unter Trommelschlag die kleine Schar, hinter 
drein der Commissaire-Ordonnateur Foulon, zogen sie in die menschenleeren 
Strafen ein. Damit war Cassel, das noch nie einen Feind in seinen Mauern 
gesehen hatte, zum ersten Male in der Gewalt der Franzosen. Der Einmarsch 
erfolgte in aller Stille und in bester Ordnung. Die Grenadiere besetzten das 
Müller- und das Totentor und legten eine Ulache in das Schloß, welches da 
mals noch mit Wall und Graben befestigt, sozusagen die Zitadelle der Stadt 
bildete. Am 15. Juli bezog die inzwischen vollzählig eingetroffene Armee 
ein Lager auf dem Forst, und General Contades nahm sein Quartier in dem 
fürstlichen Haus in der Belleuue. Die öffentlichen Gebäude, staatliche wie 
städtische, wurden zu Fouragemagazinen benutzt oder sonst mit Beschlag be 
legt, und starke Bieferungen wurden ausgeschrieben. Vom 21. ab wurde die 
Stadt mit 6 Bataillonen regelrecht besetzt, von denen zwei in den Kasernen, 
die anderen vier in Bürgerquartieren untergebracht wurden. Das übrige 
Militär war zur Besetzung von Ziegenhain und Marburg weitermarschiert. 
An eine glückliche Wendung des Krieges und Befreiung von der feind 
lichen Jnuasion war nicht mehr zu denken, nachdem die Nachricht einge 
laufen, daß am 26. Juli der Herzog von Cumberland von d’Gstrees bei Hasten 
beck geschlagen sei. Als dann aber die Kunde uon der für die alliierten Waffen 
so äußerst schmachuollen Konuention uon Kloster Zeven (8. September) ein 
lief, die der Tlachfolger im Kommando des Marschalls d’Estrees, der Herzog 
von Richelieu, dem an die See gedrängten unfähigen Cumberland aufgenötigt 
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