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VIII.
Vom Tode des Landgrafen Karl bis zur Auflösung
Hessen-Cassels durch Napoleon. / Der Staatsabsolutis-
mus auf der Höhe. / Siebenjähriger Krieg und vorüber
gehende dritte Blüte Cassels.
Landgraf Friedrich I., der Nachfolger Landgraf Karls, war durch seine
Heirat mit Ulrike Eleonore von Schweden zugleich König dieses Landes,
dessen Krone er nach dem Tode Karls XII., des Bruders seiner Gemahlin
(30. November 1718), und dem Verzicht der letzteren, sowie nach stattgefundener
Wahl des schwedischen Reichstages trug. Da sein ständiger Aufenthalt Stock-
holm war, hatte er für Hessen seinen Bruder Wilhelm zum Statthalter er-
nannt, hatte sich aber — nicht gerade zum Horteil einer raschen Abwicke-
lung der Geschäfte — die Bestätigung aller Regierungsakte vorbehalten.
Nur einmal, im Jahre 1731, hat er fein deutsches Fürstentum als Landesherr
besucht und drei Monate darin verweilt. Seinen Einzug in Cassel hielt er durchs
Müllertor am 5. August. Hier wie überall im Land wurde seine Anwesenheit
festlich begangen.
Für Cassel und Niederhessen hatte der Regierungsantritt des neuen
Landgrafen in konfessioneller Hinsicht eine wichtige Folge. Friedrich war
bei seiner Vermählung mit der schwedischen Königstochter vom reformierten
zum lutherischen Glaubensbekenntnis übergetreten. Darum hatte bereits
sein Vater (im Jahre 1719) sich bewogen gefunden, den adeligen Lutheranern
vom Hof und aus dem Offiziersstande in hiesiger Stadt (aber auch nur diesen!)
gottesdienstliche Zusammenkünfte im Hause des schwedischen Residenten
(einschließlich Spendung des heiligen Abendmahles) zu gestatten. Jetzt, am
16. Januar 1731, ward allen Lutheranern freie Religionsübung, zugleich mit
der Erlaubnis gewährt, ein eigenes Gotteshaus zu erbauen. Die Gemeinde
wählte und erkaufte im Jahre 1734 als Platz dafür den des von Scholleyschen
Hauses am Graben, worin sie drei Jahre lang Gottesdienst gehalten hatte.
Am 8. November 1734 wurde der Grundstein gelegt und unter der Oberauf-
sicht des Oberstleutnants Bröckel durch den Baumeister Ghezzi, denselben,
der auch die Kirche in Wolfsanger erbaut hat, das Gotteshaus in vier Jahren
vollendet. Ungewöhnlich reichlich waren die freiwilligen Spenden, sowohl