Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

die in diesem Talwege den Verkehr mit Thüringen vermittelnde Strafe, da 
sie, bei Cassel auf das linke Fuldaufer übertretend, hier die vom Süden zur 
Nordsee führenden Straßen kreuzte, die Bedeutung dieses Knotenpunktes 
wesentlich erhöhen. 
Eine Niederlassung aus der jüngeren Steinzeit, deren Spuren nördlich 
unserer Stadt an der Holländischen Straße, da wo letztere von der sogenannten 
Industriebahn überquert wird, im Lehm der Backsteinfabriken vor nicht 
langer Zeit aufgedeckt wurde, rückt die erste Besiedelung unserer Gegend in 
das zweite bis dritte Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung hinauf. Welcher 
Herkunft jene Ureinwohner waren, die sich dort an dem vom Jungfernkopf 
herunterfließenden Jungfernborn ihre Wohnungen in die Erde gruben und 
Töpfe mit kunstloser Strichverzierung brannten, wird ewig ein Rätsel bleiben. 
Ihre Waffen und Werkzeuge sind aus Holz, Knochen und Stein gefertigt, 
von denen die letzteren auf dem Handelswege zu ihnen gebracht wurden. 
Dann haben Leute keltischen Stammes das weite Land an Fulda, Werra, 
Edder und Lahn bewohnt und die Kunde ihres Daseins uns in zahlreichen 
Berg- und Flußnamen hinterlassen, die nur aus der keltischen Sprache ge- 
deutet werden können. Die Losse, ehedem Losseman, und ihr Nebenflüßchen, 
die Wedeman, haben (nach Arnold: Ansiedelungen und Wanderungen deutscher 
Stämme usw., S. 47) das keltische Wort aman = Fluß, die Rimbach bei Ober- 
velmar das keltische rhin bewahrt. Auch die Ahne und Nieste dürften keltische 
Wörter sein, und von den benachbarten Bergnamen die der Belchen und der 
Söhre. 
Daß solche Worte vorhanden und festgehalten worden sind, ist Beweis 
dafür, daß ein guter Teil der keltischen Bewohner sitzen blieb, als die ger- 
manischen Chatten erobernd in das Land eindrangen. Jene bildeten die hörige 
Bevölkerung, diese gaben den Herrenstand. 
Das Vordringen der Germanen wird gemeiniglich in das 4. Jahrhundert 
v. Chr. gesetzt; mit die ersten waren die Chatten, deren Einwanderung in 
ihre heutigen Wohnsitze von Osten her erfolgte. Später durch Cäsars überlegene 
Kriegskunst, der Gallien zur römischen Provinz machte, durch die Feldzüge 
des Drusus und Germaniens aufgehalten und durch den römischen Grenz- 
wall jahrhundertelang an weiterer Ausdehnung nach Westen gehemmt, 
haben sich die Chatten mit ihren östlichen Nachbarn herumgeschlagen, ohne 
daß wir über Einzelheiten unterrichtet sind. Als aber die Schranke des Grenz- 
walles gefallen war und die Chatten sich, die Lahn abwärts und die Mosel auf- 
wärts wandernd, ausdehnen konnten, da mögen am Nordsaum ihres Gebietes 
Länderstrecken frei geworden sein, in die nun von dorther sächsische Kolo- 
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