hatt dahier war zu kurz, als daß Cassel durch ihn für die deutsche Literatur
hätte Bedeutung gewinnen können.
Einen erheblichen Aufschwung nahm unter Karls Regierung das Theater
und damit die Pflege der Musik. Die Aufführungen gingen teils im Reit
hause hinter dem Marstall, teils — besonders bei Hoffesten und größeren
Veranstaltungen — im Ballhaus (zwischen Kolonnaden und Steinweg) uor
sich, und letzteres wurde dann ganz zum Schauspielhause ausgebaut. Auf der
Bühne herrschte die Oper, und in dieser, da das anfänglich deutsche Hof
orchester des Landgrafen sich nur auf Kirchenmusik verstand, die italienische
Musik, — die kunstvoll und figurenreich, aber ohne Tiefe und mit Zugrunde
legung banalster Libretti, durch Kastraten zu Gehör gebracht wurde.
Das war überall an deutschen Höfen so. „Das Theater des Landgrafen
Karl," sagt W. Lynker in feiner Geschichte des Theaters und der Musik in
Cassel (Seite 271), „repräsentierte in einem vollkommenen Maße die drama
tische Kunst seiner Zeit; die Leitung desselben befand sich in den Händen
berühmter Musiker (Ruggiero Pedeli, Portunato Chelleri), deren Werke in
Deutschland mit Beifall begrüßt wurden, und eine Reihe ausgezeichneter
Sänger und Sängerinnen waren an der Oper beschäftigt.“ Auf die Ausstat
tung der Stücke gingen, wie auf die Gehälter der Künstler, enorme Summen
drauf. Und das alles war natürlich nur für die Hofgesellschaft. Das große
Publikum fand keine Zulassung, es vergnügte sich an den theatralischen Auf
führungen wandernder Gesellschaften, die auf dem Stadtbau oder im Tuch
haus ihren Thespiskarren abluden, und die auch zweifellos der Hof besuchte.
Denn am 8. Mai 1717 führte zur Peier des Geburtstages Landgraf Karls
die damals hier anwesende „auserlesene und remarguable hochdeutsche Co-
mödianten-Compagnie“ des Zwickauer Pfarrersohnes Joh. Georg Pörfter ein
Pestspiel auf mit dem klangvollen Titel: „Die errettete Unschuld, oder der
durch Tapferkeit und Tugend erhobene Germanikus", dem eine Prologszene
vorausging, wo Apollo, in den Kreis der versammelten Götter tretend, eine
Arie zum Preise des Landgrafen fingt, in welche dann alle singend, tanzend
und Weihrauch opfernd einstimmen, bis der Hanswurst dazwischen springt
und das Ganze mit einem „kurzweiligen Stück" beschließt. Auch ein lebendes
Bild stellte man zu Ehren des Pürsten, im Geschmacke des Barock aus den alle
gorischen Piguren des Priedens, der Dankbarkeit, der Klugkeit, Wachsamkeit
usw. bestehend, wobei die olympischen Götter wiederum ebenso ihre Schuldig
keit tun mußten als die vier Jahreszeiten. „Links," heißt es in der Ankündi
gung, „bescheint der Mond die Gerechtigkeit," und auf einer Pyramide mit der
Unterschrift:,Alleine vor das Vaterland', erlegt Phaeton den Drachen Python,
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