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Dogmatismus, hier Anhänger gefunden zu haben. Don dem Treiben der Ge
lehrten in hiesiger Stadt gibt der Frankfurter Patrizier und Ratsschöffe Zacha
rias Konrad von llffenbach in seinen „Merkwürdigen Reisen durch Rieder
sachsen, Holland und Cngelland“ eine sehr anschauliche Schilderung, als er
im Rouember 1709 durch „die berühmte Residenz Sr. Durchlaucht des Herrn
sandgrafen von Hessen-Cassel“ durchreifte. 6r suchte damals vornehmlich
die Professoren lUolfarth und Zumbach auf, von denen ersterer, seit 1707 als
Hofmedikus nach Cassel berufen, seit 1708 am Carolinum als sehrer der Ana
tomie und Experimental-Physik angestellt war; letzterer als Professor der
Mathematik ebenda lehrte und zugleich die Sternwarte unter sich hatte,
die der sandgraf auf dem Schlößchen in der Belleuue hatte aufbauen lassen.
Auch die fürstliche Kunftkammer war ihm anvertraut. Die von ihm erfundenen
und von dem Mechanikus J. A. Hergett dahier ausgeführten astronomischen
Instrumente, ein Planetolabium, ein Jovilabium und ein Saturnilabium,
graphische Darstellungen zur Deranschaulichung der Planeten und ihrer Tra
banten, sind noch im hiesigen Museum zu sehen. „6r ist ein stiller und artiger
Mann,“ sagt llffenbach, „der viel von seiner holländischen sandesart an sich
hat.“ Seine Uersuche, Metalle zu Glas zu schmelzen, dürften ohne praktische
Bedeutung geblieben sein. — Den Rektor des hiesigen Gymnasiums, Se
bastian Boclo, besuchte llffenbach in seiner Wohnung auf dem alten Kreuz
gang an der St. Martinskirche und fand in ihm einen manierlichen und höf
lichen Mann, dem die Wissenschaft mehr am Herzen lag als die trockene Gram
matik, auch eine Art Märtyrer; denn nachdem er lange Zeit auf holländischen
Universitäten die Philosophie des Descartes gelehrt hatte, hatte er von da
wegen seiner Hinneigung zu dem theologischen System des Leidener Pro
fessors Coccejus, welches die reformierte Scholastik erschütterte, weichen
müssen. Die Lehre des Coccejus war die der holländischen Republikaner,
deshalb von der Partei des Statthalters verfolgt. So ist unser kleines Hessen
land unter Landgraf Karl die Zufluchtstätte aufgeklärter Geister geworden,
wobei wir nur noch an den großen Philosophen Christian von Wolfs zu er
innern brauchen, der von König Friedrich Wilhelm I. von Preußen bei Strafe
des Stranges angewiesen wurde, binnen 24 Stunden die Universität Halle
zu verlassen und von Karl sofort nach Marburg berufen wurde. — Die Hof
bibliothek, welche 1686 nach dem Tode des Kurfürsten Karl von der Pfalz
durch Testamentsbestimmung einen außerordentlich reichen und an Cimelien
geradezu unschätzbaren Zuwachs erhielt, verwaltete zugleich mit der Kunst-
kammer der aus Bern berufene Job. Sebastian Haas, ein gründlicher Ge
lehrter, dem feine Stellung als Kabinettssekretär des Landgrafen die Anregung