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hat dies Gymnasium illustre, das uon Anfang an beileibe keine Ritterakademie
fein sollte, einen mehr aristokratischen Zuschnitt und seine Bildung einen
weiteren Rahmen bekommen.“ Die feierliche Einweihung fand am 2. No
vember 1709 in dem neuen Kunsthause am Steinwege statt, in welchem auch
die Vorlesungen abgehalten wurden. Beider aber krankte die Anstalt uon
vornherein an der ungenügenden Vorbildung, welche die Zöglinge von den
damaligen Lateinschulen mitbrachten, und in welcher Hinsicht auch die hiesige
Stadtschule in jener Zeit keine Ausnahme machte.
Karls Pläne gingen noch weiter. Er beabsichtigte, wie fein Zeitgenosse,
der große Philosoph Eeibniz, der dem Gedanken gewiß nicht ferne stand, uns
versichert, in Cassel eine Akademie für Kunst und Wissenschaft zu gründen,
als deren Leiter und Vorsitzender Denis Papin in Aussicht genommen war. 1 )
Papin, der bedeutendste Physiker seiner Zeit, der Erfinder der Dampfmaschine, 1 2 )
hatte als Protestant 1675 Paris verlassen und war 1688 als Dozent an die
Universität nach Marburg berufen worden; aber Karl zog ihn 1695 ganz nach
Cassel, er wies ihm dem Schloß gegenüber ein Haus zur Wohnung an (neben
dem Haufe des Hofmarschalls) und war hier der verständnisvollste Teilnehmer
seiner Versuche. Zunächst war des fürsten Absicht die, durch Papin eine Dampf
maschine oder Dampfdruckpumpe konstruieren zu lassen, mit Hilfe deren der
von Karlshafen nach Cassel projektierte Kanal mit Wasser versorgt werden
sollte. Das Modell dieses Pumpwerkes wurde auch fertiggestellt, doch unter
der westfälischen Herrschaft zusamt dem ganzen Modellhaus vernichtet. Zur
Aufstellung der Maschine selbst kam es nicht, weil die Kanalarbeiten bekannt
lich liegen blieben. Ebensowenig kam das Projekt Karls, fein Schloß durch
Aufstellung eines Dampfpumpwerkes mit Wasser aus der fulda versorgen
zu lassen, zur Ausführung. Doch bewies Papin, nachdem er durch feine in
Cassel verfaßte Schrift: Ars nova ad aquam adminiculo ignis eleuandam,
theoretisch die Möglichkeit dargetan hatte, diese auch praktisch aufs glän
zendste, indem er im Treppenhause des Kunsthauses in Gegenwart des Land
grafen durch eine, noch dazu sehr mangelhaft gedichtete Maschine das Wasser
bis zu 70 fuß Höhe aufsteigen ließ.
Papin soll das Unglück gehabt haben, daß ihm in seinem Laboratorium
eine Maschine, durch die er mit Anwendung von komprimierter Luft und
Hebelvorrichtung Granaten werfen wollte, zu einer Zeit explodierte, wo Land-
1) Gerland, 6.: Eeibniz’ und Huygens Briefwechsel mit Denys Papin. S. 86.
Der Gedanke ging zweifellos uon Eeibniz aus, der es liebte, Akademien ins Eeben zu rufen.
2) Gerland, 6.: Zur Grfindungsgeschichte der Dampfmaschine (Z. f. deutsche
Ingenieure, Bd. 20, S. 462 ff.).