Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

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in einen solchen schlechten Zustand geraten, datz sie weder des Vermögens 
fein solle, Kirchen, Schulen, publique Gebäude und Ulege in wesentlichem 
Stand zu halten und ihre Bediente zu salariren, viel weniger aber die jähr 
liche pensiones uon ihren vielen Passiv schulden abzutragen,“ da fetzt er ihr 
in der Person des Gegenschreibers Joh. Philipp Spangenberg einen Aufseher 
und erteilt ihm eine sehr ausführliche Instruktion, in welcher so ziemlich 
jeder Paragraph darauf hinausläuft, datz er es mit Spitzbuben zu tun habe, 
denen scharf auf die Finger zu sehen, seine Hauptaufgabe sei. Dies mutzte 
sich die Stadtbehörde wohl oder übel gefallen lassen. 
Hinter dem Aufschwung des materiellen, blieb der des geistigen Gebens 
in unserer Stadt nicht zurück, aber mehr noch als jenem kamen ihm feine 
vornehmsten Zuflüsse vom Hofe her. 
An der Spitze der Maßnahmen, die Karl nach jener Richtung hin er 
griff, steht billig die Gründung des Collegium Carolinum. Richt wie diese 
Studienanstalt sich später entwickelt hat, sondern wie sie gedacht war, macht 
die Tat des Candgrafen bedeutend, und ich kann ihr nicht besser gerecht werden, 
als indem ich das hier wiedergebe, was der neueste Geschichtsschreiber des 
Kollegiums, Theodor Hartwig, ausführt. „Das Zeitbedürfnis,“ sagt er, 1 ) „for 
derte eine andere Bildung, als sie der zopfige Schulhumanismus seither ge 
währt hatte. Vor allem jedoch reizte der Blick auf die Kluft zwischen dem 
Bildungsniveau der Gateinschulen und der durch die Fortschritte der mathe 
matischen Tlaturwissenschaft und der neueren Phisolophie in die Hörsäle der 
Universitäten eingedrungenen Aufklärung zum Versuche, die Gücke zu füllen. 
An dieser Stelle setzte Gandgraf Karl den Hebel ein für seine Ausgestaltung 
des höheren Unterrichts. Keiner unter den Casseler Fürsten hat wohl einen 
helleren Blick gehabt für die Zeichen der Zeit und die Forderungen des Tages 
als der Fundator Collegii Carolini. Im Vollbesitz der Bildung seiner Zeit, ist 
er ein durchaus moderner Mensch. Seine Tleigung gehört den realen Wissen 
schaften, aber er liebt sie unter dem Gesichtspunkt ihrer praktischen Ver 
wendbarkeit zur Besserung der wirtschaftlichen Gage seiner armen Unter 
tanen. In diesem Zusammenhang hat man auch den Plan der Errichtung 
einer besonderen Vorbildungsanstalt für die Universität zu beurteilen, der 
zur Gründung des Collegiums führte. Der Zweck der neuen Anstalt war, 
einen den modernen Anforderungen entsprechenden Vorbereitungskursus 
für das Vniuersitätsftudium zu bieten. Erft in einem viel späteren Stadium 
1) Z. H. 6. Bd. 41, S. 74 f.
	        
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