kümmerte sich niemand. „Sondern vielmehr in währender noch so viel neue
unverständige Idioten aus ein- und anderm Nebenabsehen von denen Bürger
meistern angenommen worden und täglich in fraudem legis admittiret wer
den, welche Procuratores theils von sich nichts gehabt, theils sonst nichts ge-
lernet, wovon sie sich nähren können, als nur die Bürgerschaft unter einander
zu verhetzen und zum Processiren und Streiten aufzuwiegeln.“
Wenn Bürgermeister und Schöffen in bürgerlichen Sachen keine Termine
innehalten, so darf es nicht in Erstaunen setzen, datz in peinlichen Bällen, die
bei anderen Berichten in Z, 4 bis 6 Wochen längstens abgetan zu sein pflegen,
in Cassel der unnötigen Protraktionen und Interlokuten kein Ende ist und
die Delinquenten oft Jahre hindurch auf herrschaftliche Kosten im Turme
schmachten müssen, nur damit für die Richter bei den häufigen Terminen
recht viele „Schreckenberger“ herausspringen. 1 ) Daß es hierbei mit den An
schauungen unseres Gewährsmannes nicht übereinkommt, wenn die peinlich
Beklagten in den Herhören so gelinde torquiert werden, datz sie sich über die
hiesige Tortur lustig machen, wird uns kaum befremden, und ebensowenig,
datz er die Einführung verbesserter Polterwerkzeuge empfiehlt, als das be
kannte Schnüren, das Teipziger Instrument, das Wiener Kästchen und andere
dergleichen schöne Sachen.
Wir erfahren bei dieser Gelegenheit, daß im Jahre 1708 der Wein
schank der eigenen Verwaltung der Stadt — wenn auch nur vorübergehend —
entzogen und an Privatleute verpachtet worden war. Damals hatten sich im
städtischen Weinkeller noch für 1200 Taler Weine befunden. Diese hatten die
Bürgermeister untergeteilt, wobei der Löwenanteil in ihre eigenen Keller den
Weg gefunden hatte, und „will niemand wissen, wo diese 1200 Reichstaler
der Stadt berechent worden, wovon die Rathsverwandte Bögehold, Sechehaye,
Knabeschuch und Heiligenberg die beste Nachricht geben können.“ — Die
Stadt und die Bürgerschaft werden an allen Ecken betrogen, sogar die De
positengelder auf dem Rathaus sind nicht sicher, während die Konkursprozesse
zum Nachteil der Gläubiger endlos verschleppt werden. In alle diese und noch
viel mehr dunkele Ecken leuchtet der kundige Gewährsmann hinein, der kein
Ingenium gewöhnlichen Schlages gewesen sein kann. Denn zwei Gedanken,
die er hier zuerst vorträgt, gereichen seinem staatsmännisehen Blick zur Ehre.
Einmal regt er die (allerdings schon zu Landgraf Wilhelms IV. Zeit ins Auge
gefatzte) Kodifikation des hessischen Rechtes, die Ausarbeitung eines Codex
hassiacus, an. Sodann entwickelt er hier zum ersten Male den Plan der Er-
1) Der Schreckenberger war eine Münzsorte, davon 2 auf 1 stlbus gingen.
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