Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

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leben vollständig; erst mit dem Jahre 1748 wurde die Straßenbeleuchtung 
aufs neue in Angriff genommen und seit 1774 durch Überweisung des Fleisch- 
hellers der Metzger finanziell geregelt. 1 ) 
Ein bleibendes Denkmal haben sich der Landgraf und seine Regierung 
durch die Stiftung des Armen- und Waisenhauses gesetzt (1690) 1 2 ), wozu das 
ehemals von Berlepsch’sehe Freihaus in der Unterneustadt am sogenannten 
„Alten Tor“ angekauft wurde. Don vornherein mehr Arbeitshaus als Er 
ziehungsanstalt, hatte es den Zweck, den Straßenbettel zu beseitigen, bis 
1712 die hiesigen Prediger angewiesen wurden, auch auf die Erziehung eltern 
loser Kinder und deren Unterricht Bedacht zu nehmen. 
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Bei solchen und anderen Einrichtungen der Art wird man fragen: wo 
blieb die Stadtverwaltung? War es nicht deren Aufgabe, für Pflaste 
rung, Reinhaltung und Beleuchtung der Straßen und Plätze u. dergl. m. Sorge 
zu tragen ? Nutzte die Anregung immer erst von oben gegeben werden ? Jn der 
Tat scheint es so, wobei es sich der Kontrolle der Tlachwelt entzieht festzu 
stellen, was von solcher Anregung von unten kam. Der Staatsrat, in welchem 
der Fürst den Vorsitz führte, bestand aus vier Geheimen Räten, die wir heute 
als die Minister bezeichnen würden. Die Seele des gesamten Staatswesens 
war der Baron von Goerz, des Landgrafen vertrautester Freund und Günst 
ling und sozusagen seine rechte Hand. Als Kammerpräsident der Rachfolger 
Joh. Kaspars von Dörnberg verwaltete er die Finanzen des Landes. — Das 
Kriegsdepartement lag in der Hand des Grafen August von der Lippe, der 
auch Höchstkommandierender der hessischen Truppen war. Sein Schwager, 
der Graf Joh. Dietrich von Kunowitz, der wegen seines Festhaltens am refor 
mierten Bekenntnis aus Mähren hatte flüchten müssen, bekleidete das Amt 
des Regierungs- und Konsistorialpräsidenten, und die Justiz verwaltete der 
alte Kanzler Regnerus Badenhausen, ein um das Land hochverdienter Mann, 
der Schwiegervater des späteren Kanzlers Goeddaeus. Regiert wurde nur von 
oben herab, alles kleidete sich in das Gewand der Landesordnung, und die 
Regierten hatten die Fürsorge für das allgemeine Wohl, auch wenn sie dies 
kannten, lediglich der höheren Einsicht bezw. der Entschließung der Landes 
herrschaft anheimzugeben gelernt. Jn allen deutschen Territorien galt für 
Fürsten und Untertanen Ludwigs XIV. Grundsatz: „l* Etat c’est moi!" als 
Derfafsungsnorm, wie es bezüglich Hessen-Cassels ein Reifender, welcher 1684 
1) Siehe LOO., Bd. 6, S. 773. 
2) Schmincke: Beschreibung von Cassel, S. 248.
	        
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