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naden, welche man in Wien am kaiserlichen Hoflager erfunden und mit vielem
Erfolg gegen die protestantischen Schlesier angewendet hatte, erwiesen sich
als sehr wirksam; durch scheußliche und uerabscheuungswürdige Quälereien
aller Art machte die katholische Kirche Propaganda. Unzählige Franzosen, die
intelligentesten und geschicktesten Arbeiter und Geschäftsleute, wandten daher
ihrem Uaterlande den Rücken und suchten eine neue Heimat in den benach
barten protestantischen Ländern, in der Schweiz, in England, den Nieder
landen und Deutschland. Die Jesuiten glaubten endlich, es dahin gebracht
zu haben, daß der Boden der ältesten Tochter Roms nur noch von guten Katho
liken bewohnt werde, und bewogen demgemäß den König, das Edikt Hein
richs IV., das dieser am 13. April 1598 in Nantes erlassen, und durch welches
den Evangelischen Schutz und freie Religionsübung gewährleistet wurde, als
überflüssig aufzuheben.
Landgraf Karl war sittlich tief entrüstet über den am französischen Hofe
zutage getretenen Geist der Unduldsamkeit und die ausgesuchte Grausamkeit,
welche jesuitischer Glaubenshaß hier in die Erscheinung brachte. Er hat seit
jener Zeit sich von dem bis dahin seinem Hause so nahe gestandenen Frank
reich, mit dessen Beistand allein die deutschen Protestanten sich des habs
burgischen Fanatismus erwehrt hatten, völlig abgewandt und seinem Unmut
mündlich und schriftlich Ausdruck gegeben.
Aber er und feine Regierung, deren Seele der Staatsminister und
Kammerpräsident von Görz war, begnügten sich nicht mit der Äußerung christ
licher Teilnahme; sie blickten weiter und erkannten, welcher Nutzen dem
Hessenland erwachsen mußte, wenn es gelang, die kunstfertigen und fleißigen
Hugenotten in größerer Zahl herbeizuziehen und zur Niederlassung zu ver
mögen. Bereits ein halbes Jahr, ehe der Sonnenkönig das Edikt von Nantes
aufhob, was am 22. Oktober 1685 geschah, erließ Landgraf Karl ein Patent,
datiert vom 18. April desselben Jahres, durch welches fremde Planufaktu-
riften eingeladen werden, sich in seinen Staaten niederzulassen. Jn dieser
„Freiheitskonzession und Begnadigung“, in der allen Handwerkern und
Manufakturisten, die sich in Hessen niederzulassen gedächten, eine zehnjährige
Freiheit von allen Steuern, Kontributionen und Diensten zugesichert wird,
und die am 1. August 1685 noch eine Ausdehnung auf 12 Jahre erfährt, ist
zwar der Franzosen nicht namentlich gedacht; allein große Ereignisse werfen
bekanntlich ihre Schatten immer voraus, und es geht überdies aus dem Wort
laut des Erlasses, da er sich an der reformierten Religion zugetane
Ausländer richtet, genügend hervor, auf wen man vornehmlich das Augen
merk gerichtet hatte. Der Erfolg entsprach nicht gleich den Erwartungen,