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äußerst empfindlich, und ihr Korpsgeist duldete keinen Bescholtenen unter
ihnen. Dieser Korpsgeist aber diktiert auch wieder Bestimmungen zu gegen-
seitiger Hilfeleistung, die wir heute nicht mehr kennen, Wird ein Löwer-
knecht, heißt es, nachdem er eine Zeitlang hier gearbeitet hat, krank, so sollen
ihm die Altknechte eine Wartefrau gewinnen. Hat der Kranke kein Zehr-
geld, so sollen ihm die Knechte aus der Lade Vorschuß leisten. Bei schwerer
Krankheit sind jede Nacht zwei Knechte zur Wache zu bestellen, die sich der
Verpflichtung bei Strafe nicht entziehen dürfen. Einen Gestorbenen haben
die Knechte nach christlicher Ordnung zu Grabe zu bestatten, auch bei Strafe
von 2 Albus.
Aus solcher Ordnung dürfen wir noch den indirekten Schluß wagen,
daß die Lederbereitung hier in Cassel nicht unbedeutend gewesen sein kann.
War bei den Jahrmärkten in den schweren Zeiten des großen Krieges
wohl ein Zurückgehen des Besuches, vielleicht um deswillen, weil Bandgraf
Wilhelm V. sie von den Sonntagen auf die Wochentage verlegte, zu bemerken,
so nahm der Handel, insbesondere der Transitverkehr vom Süden nach Norden
und umgekehrt, zunächst noch feinen Weg über Cassel. Auch die „Elberfelder“
kamen noch, ihr Leinengarn hier heimlich und mit Umgehung des Gildebriefes
der Leinweber einzuhandeln. Ein Franzose aus Metz, Thomas Bourdon,
der 1628 einwanderte, konnte 8 Jahre später einem der reichsten hiesigen
Handelsherren, Wilhelm Becker, der 1637 mit Hinterlassung eines Vermögens
von 50000 Talern starb, in der Kontribution gleichgestellt werden, was er
sich freilich nicht gefallen lassen wollte. Mit der Zeit konnte es natürlich nicht
fehlen, daß die Verwüstungen auf dem platten Band (1635—37) auch die
Erwerbsverhältnisse in der Stadt beeinflußten. Dazu kamen die enormen
Abgaben; insbesondere die Kontribution oder Soldatensteuer war außer
ordentlich hoch und drückte die Einwohner hart. Der Zinsfuß, der bis 1640
noch 6 v. H. betrug, wurde damals auf 5 v. H. herabgesetzt. Die im Beginn
der 40 er Jahre sich geltend machende Preissteigerung, über welche besonders
der Adel auf den Landtagen großen Lärm schlug, veranlaßte 1645 den Erlaß
einer neuen Taxordnung, durch welche man gewaltsam die Preise möglichst
wieder denen der Ordnung von 1622 zu nähern suchte. Wenn die Regierung es
wagen konnte, im Jahre 1647 eine neue indirekte Steuer, den sogenannten Li-
zent, auf alle nicht ein- und durchgeführten Waren zu legen, so darf dies wohl
auch als ein Zeichen gelten, daß der Handel nicht gerade im Rückgang be-
griffen war, wenngleich die Stadtbehörde zusamt den hiesigen Kaufleuten den
Ruin desselben, namentlich des Transithandels, als eine Folge davon voraus
sagten. Dabei war es der Stadt vornehmlich um ihren Stapel zu tun, auf