181
Schrauben gestellt war und keine Aussicht hatte, die Genehmigung des Reichs
oberhauptes zu erhalten. Die damalige Diplomatie, wie die Kriegsführung
im Reich aller Großzügigkeit bar und dieser in Winkelzügen und Manöuern
durchaus geistesverwandt, nötigte die Landgräfin zu gleichem Spiel. Um ihrem
total zugrunde gerichteten fände Ruhe und Erholung zu verschaffen, setzte sie,
von klugen Männern, wie dem schon genannten Kanzler Reinhard Scheffer,
trefflich beraten, und vom Hofprediger Neuberger in ihrer festen Stellungnahme
zu der Drage des reformierten Bekenntnisses bestärkt, die Verhandlungen
mit dem kaiserlichen Hofe zwei Jahre hindurch fort, damit allerdings den
Vorwurf der Zweideutigkeit auf sich ladend. Der Beweis, daß auf der Gegen
seite ehrliches Spiel gespielt worden sei, ist eben nicht erbracht worden. Als
im August 1639 Kaiser Ferdinand die kategorische Frage stellte, ob die Land-
gräfin den Frieden wolle oder nicht, schickte sie, einer direkten Antwort lange
genug ausweichend, im April 1640 dem bedrängten schwedischen General
Baner Hilfe zu und entschied sich damit für die Fortsetzung des Krieges. Am
30. Dezember 1639 war hier die wehrhafte Mannschaft aus den Bürgern ver
lesen worden, da man wieder auf eine feindliche Behandlung gefaßt sein mußte.
Das Jahr 1643 brachte in der Nacht vom 4. Januar unserer Stadt das
größte Hochwasser, das seit Menschengedenken erlebt worden war; es riß acht
Häuser in der Neustadt und den Wall daselbst ein, die fürstlichen Personen im
Nassauer Hof (jetzt Packhof) und viele andere Leute mußten bei Fackeln in Schif-
fen aus den Fenstern geholt werden. Aber es brachte auch eine ausgezeichnete
Ernte und überdies die Eröffnung der Friedensverhandlungen zu Osnabrück
mit Schweden und Hessen-Cassel, während im folgenden Jahre die Unterhand-
lungen mit Frankreich in Münster eröffnet wurden. Bis zum Abschluß des
Friedens aber dauerte es noch fünf ganze Jahre, und diese waren noch reich
an Wechselfällen des Krieges, der — wie die hohen Offiziere mehr und mehr
sich dem Stande der Räuberhauptleute und ihre Scharen dem von Räuber-
banden näherten — auch je mehr und mehr den Charakter von Raub- und
Beutezügen annahm. Nirgends mehr weitausgreifende Unternehmungen, die
auch die Armut und Entvölkerung der Länder nicht gestatteten; dafür um so
gründlichere Zerstörung überall. Für Hessen-Cassel ging neben dem großen noch
der kleine Krieg mit Darmstadt um die Marburger Erbschaft her, den der Ge-
neral Geiso (Bildnis Tafel 8) für Amalie Elisabeth und Wilhelm VI. zum sieg-
reichen Austrag brachte. Dagegen hatte Niederhessen viel zu leiden durch den
damals in casselischem Dienst gestandenen, dann aber von Amalie Elisabeth
entlassenen und in den des Kaisers übergetretenen General Melander, der,
von Haß erfüllt, das Land wie ein Blutegel aussaugte; 1646 war die Furcht