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noch iriel mehr!" — Die andere Art bekennen zwar mit dem Munde Gott,
führen aber ein ruchlos und verzweifelt Geben; daher ob sie schon sich äußer-
lich zum Christentum bekennen, tun sie doch frommen Christen, sonderlich
den Dienern Gottes Leid und Schimpf, wo sie nur können, und schämen sich
auch sonst keiner Ungerechtigkeit. Neuberger, der seine Zeitgenossen genau
kannte und, als er diese Worte schrieb, bereits vier Jahre in hiesiger Stadt
lebte, hatte gewiß Gelegenheit gehabt, hier Beobachtungen zu machen, und
es sind vornehmlich die höheren Stände, an deren kirchlicher Gesinnung er
auch sonst auszusetzen findet.
Landgraf Wilhelm V. war am 21. September 1637 zu Leer in Ostfries-
land im Alter von 35 Jahren verschieden. Erst am 6. Februar 1639 war es
möglich gewesen, seinen Leichnam nach Cassel überzuführen, wo am 23. April
des nächsten Jahres die Beisetzung in der Fürstengruft der Martinskirche er-
folgte. Solange war auch die Landgräfin-Witwe Amalie Elisabeth (Bildnis
Tafel 8), die nach dem Testament ihres Gemahls nunmehr als Vormünderin
ihres erst achtjährigen Sohnes Wilhelm VI. die Regierung führte, außer
Landes gewesen. Ihr Gatte war in des Reiches Acht gestorben, und obgleich
Landgraf Georg von Hessen-Darmstadt, welcher bei der Achtserklärung (21.
November 1636) zum Administrator Niederhessens vom Kaiser bestellt worden
war, sich jetzt nicht scheute, die unglückliche Lage des Landes und des ver-
wandten Fürstenhauses zu benutzen und das erneute Achtspatent der Casseler
Regierung einzuschicken, so vollzog sich die Huldigung des Landes doch ohne
Hindernis, und die Bürgerschaft der Hauptstadt leistete zuerst den Eid der
Treue.
Die Landgräfin hatte einen äußerst schweren Stand. Ihr General Me-
lander, Statthalter und Räte in Cassel und die Stände des Landes waren un
bedingt für die Unterwerfung unter den Frager Frieden und die Aussöhnung
mit dem Kaiser, indessen, um sie zur Aufgabe des Bündnisses mit Frankreich
zu nötigen, der kaiserliche General Götz in gewohnter unmenschlicher Weise
das Land verwüstete. Amalie ging auf die von der Gegenseite gemachten
Annäherungsversuche ein. Die in Marburg gepflogenen Behandlungen ver
liefen jedoch resultatlos, da die Fürstin dem am 23. Januar 1638 zwischen
ihrer Regierung und den Landständen einerseits und Landgraf Georg anderer-
seits geschlossenen Vertrag die Ratifikation versagte, vornehmlich um des
willen, weil die für das reformierte Glaubensbekenntnis nicht nur in Hessen,
sondern in allen deutschen Territorien verlangte Anerkennung allzusehr auf