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gegeben. Auch hatte Crocius die Genugtuung, daß sich die öffentliche Meinung
ganz auf seine Seite stellte, daß Professoren und Studenten, das geistliche
Ministerium sowie Bürgermeister und Rat samt Gilden und Zünften hiesiger
Stadt Bittschriften für ihn beim Landesherrn einreichten und seine baldige
Freisprechung befürworteten, indem sie, wenn man Crocius verlieren sollte,
auf den unausbleiblichen Ruin der kaum ins Dasein getretenen Akademie
und nicht zum mindesten auf das Frohlocken der Widersacher der reformierten
Kirchenlehre bei solchem Schimpf hinwiesen. Dieses Frohlocken blieb gleich
wohl nicht aus. Der eifrige Gegner der Reformierten und Vertreter des starren
Luthertums, der Dresdener Oberhofprediger Hoe von Hoenegg, der noch
1631 auf dem Protestantentag jegliches Zusammengehen mit den Hessen und
Brandenburgern eisig kalt zurückgewiesen hatte, lieh eine Schmähschrift
erscheinen, in welcher das über Crocius gekommene Unglück als die wohl
verdiente Strafe des Himmels für seinen Jähzorn und seine Schlechtigkeit
hingestellt wurde. So waren die streitbaren Theologen der damaligen Zeit!
Dagegen sprachen sich drei Juristenfakultäten protestantischer Universitäten
zu Crocii Gunsten aus, und so erfolgte die Freisprechung durch Endurteil
vom 16. Juli 1635, in welchem er von der Peinlichkeit befreit wurde. Aber
zwei Jahre und vier Monate waren auf den Prozeß hingegangen, und wenn
auch Crocius wieder in seine Professur eingesetzt wurde, sein Predigtamt an
der Freiheiter Kirche erhielt er nicht zurück, da dieses inzwischen dem Hof-
prediger Theophilus Neuberger übertragen worden war. Das traf den un-
ruhigen Mann besonders schwer. Mit den Gutachten von sechs Juristenfakul-
täten ausgerüstet, trat er aufs neue auf den Kampfplatz und trug auch kein
Bedenken, seinen Nebenbuhler in der auf Hoeneggs Angriffe von ihm ver-
faßten Gegenschrift mit aufs heftigste anzugreifen, indem er ihm vorwarf,
daß er während des Prozesses „sich zu seinem (des Crocii) Kirchendienst und
Predigtamt getan habe“, und auch jetzt nach dem freisprechenden Urteil nicht
gewillt sei, seine ihm im Recht gehörige Stelle wieder abzutreten, ohnerachtet
er in einer andern und zwar sehr vornehmen (nämlich der Hof-) Kirche ohne
dies Pfarrer sei und eine sehr stattliche Besoldung habe. Es hätte für Crocius,
der schon bei Hofe wenig beliebt war, das Zeichen sein sollen, daß sein Einfluß
im Schwinden begriffen sei. Der hier viel gewandtere Neuberger, der mittler-
weile zum Superintendenten der Diözese Niederhessen erwählt worden war
(12. Dezember 1634), wußte es leicht dahin zu bringen, daß seines Gegners
Schmähschrift zu dessen großer Erbitterung auf landgräflichen Befehl be-
schlagnahmt wurde. Crocius wandte sich nun wieder seiner Polemik gegen
Papismus und Luthertum zu und hatte auch noch die Freude zu erleben, daß er