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und in einen Schutthaufen verhandelte. Drohend richtete er darauf von
Erfurt aus, um sich den Kücken zu decken, an Landgraf Wilhelm die Forde
rung, ihm die Festungen Cassel und Ziegenhain auszuliefern. Der Vorschuß
von 1000 Talern Werbegelder, den unsere Stadt am 31. Mai dem Landgrafen
leistete, der Landtag auf der Hader Heide am 9. Juni, wo die Kriegsrüstung
bewilligt ward, waren die Antwort darauf, und am 12. August schloß Wilhelm
persönlich im Lager Güstau Adolfs zu werben an der Elbe einen Uertrag
mit diesem, demzufolge Hessen-Cassel als erster Bundesgenosse Schwedens in
den Kampf gegen den Kaiser eintrat. Am 30. Juni hatte der Fürst bei hiesiger
Stadt sein Testament hinterlegen lassen. Am 8. September wurde im ganzen
Lande ein Fast-, Buß- und Bettag abgehalten. Niemand durfte während
des Gottesdienstes auf der Straße fein, wenige Tage darauf verbreitete die
Nachricht allgemeines Frohlocken, daß Tilly am 7. des Monats feine erste gründ
liche Niederlage bei Breitenfeld erlitten habe und feine mordbrennerischen
Scharen den fluchtartigen Kückzug angetreten hätten. Am 8. Juli 1632 ver
ließ Wilhelm V. seine Residenz, um den Oberbefehl über fein Heer in eigener
Person zu übernehmen. Er hat Cassel nicht wieder lebend betreten. Der
Bestand seines Hauses und des Hessenlandes überhaupt lag fortab im wech
selnden Heerlager im Hordwesten des Reiches und hinter den bombensicheren
Kasematten von Cassel, als der stärksten Festung des Landes, die die Gegner
nicht anzugreifen wagten. Die Regierungsgeschäfte handhabte in des Gatten
Abwesenheit die Landgräfin Amalie Elisabeth, bekanntlich eine Frau von
seltener Klugheit und Stärke des Geistes, mit einigen ausgezeichneten Räten
wie Reinhard Scheffer, Joh. Uultejus u. a.
Die ersten Jahre nach des Landgrafen Abreise verliefen verhältnis
mäßig ruhig für unsere Stadt. Ein Ereignis, das die Bürgerschaft in dieser
Zeit mächtig aufregte, ist neben dem Tatsächlichen an sich für uns heute um
deswillen von Jnteresse, weil es zeigt, wie man damals nicht anders konnte,
als die Dinge unter dem Gesichtswinkel des Bekenntnisses zu betrachten und
die Geschehnisse von diesem Standpunkt aus zu beurteilen. 1 )
Der schon erwähnte Professor Crocius, ein Mann von leidenschaftlichem,
eigenwilligem Temperament, eine echte Kampfnatur, bewohnte als Dekan
der St. Martinskirche die vor etlichen Jahrzehnten demolierte Superinten-
dentur, auf der Stelle des jetzigen Philippsplatzes. Eines Abends spät, am
22. Februar des Jahres 1633, fitzt er in seiner Studierstube über Nr. 12 seiner
1) Claus: Johannes Crocius, Cassel 1858, S. 50.— Brunner: Theoph. Heu
berger (Zeitschr. für Kirchengeschichte, Bd. 24, S. 391 ff.) — Annalen u. Matrikel der
Universität Cassel, hrsg. von XU. Falckenheiner (Z. H. 6., Bd. 28, S. 227 ff.)
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