Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

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ständnisses für alle Fragen der Zeit auch auf pädagogischem Gebiet, richtig 
erkannte, daß das Heil der Zukunft allein bei der Jugend liege. 6r rief daher 
in hiesiger Stadt eine Gewerbeschule ins Heben, wohl die erste auf deutschem 
Boden, eine praktische Lehranstalt, in welcher die Jugend durch tüchtige 
Heister in den verschiedenen Gewerben, namentlich auf dem Gebiete der 
Stoffbereitung, ausgebildet werden sollte. Denn Horitz erkannte richtig, 
daß hier die Eigenart der hessischen Jnduftrie liege. Dicht nur alle Arten der 
Weberei und Teppich Wirkerei wurden hier gelehrt; auch eine eigene Färberei 
und eine Zwirnmühle ließ er anlegen; neben dem Lehrhause, das sich in der 
Schäfergasse an der Stelle des jetzigen Heumagazins befand, wurde ein an 
deres zur Spinnerei eingerichtet. Jeder Heister erhielt feine Wohnung und ge 
sonderte Werkstätte. Die Anstalt, die bald in vollem Betrieb war, lieferte 
Waren aller Art in Gold- und Silberstoffen, in Seide, Wolle, Baumwolle und 
Leinen. Etwa 50 Kinder wurden jährlich darin unterwiesen. 
Zu feinem Leidwesen aber fand Horitz weder bei der Stadtverwaltung 
noch bei den Zünften dasjenige Jnteresse, das ihm feine „Hanufakturen“ zu 
verdienen schienen. 1611 bemerkt er zu dem Bericht des Kammermeisters, 
daß der Hagiftrat auf Erneuerung des Weinschankpriuilegs antrage, bitter: 
„Du fiheft aber nicht, was für eine Condition im Briefe stehet, wie sich die Stadt 
Cassel dargegen uns accommodiren, gehorsamen und in billigen Dingen folgen 
soll, welches sie wahrlich mit ihrer Beantwortung wegen der Hanufakturen 
nicht erweiset,“ und die Zinsen des Kapitals, das sie ihm auf den Weinschank 
im Kommißhaus geliehen, solle sie, meint er, zu seiner Jntention deputieren, 
da sie so reich sei. Er schien nicht zu wissen, daß die Stadt sich dieses Geld erst 
selbst mühsam zusammengeborgt hatte, was um so auffallender, als beide Land 
grafen, Horitz wie fein Uater Wilhelm, sich sonst um alle Einzelheiten der hie 
sigen Stadtverwaltung zu kümmern pflegten. 
Unter Wilhelm IV. geschah dies in patriarchalisch-wohlwollender Form. 
Als er sich 1576 und 1577 über den Stand der Dermögensangelegenheiten 
unserer Stadt durch ihren Bürgermeister Eucharius Feige eingehenden Be 
richt erstatten läßt, da findet sich alles in guter Ordnung, so weit dies bei der 
in Hbung stehenden Amteruerfassung möglich ist. War doch die Stadt Cassel 
sogar in der Lage gewesen, im Jahre 1545 dem Oater Landgraf Wilhelms 
den Zoll in hiesiger Stadt für die Summe von 8000 Gulden, allerdings mit 
Hilfe fremden Geldes, abpachten zu können, der vorher an Tilo Wolf von 
Gudenberg, Herrn zu Jtter, verpfändet gewesen war. Allein der jährliche 
Wechsel im Bürgermeister- und Kämmereramt und der Zäpferei brachte es 
mit sich, daß alte Forderungen, entgegen der Uorschrift der Kämmereiordnung 
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