Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

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der sich als Markttag lange erhalten hat. Der Martinstag (11. Tlouember) 
war nicht der Kirchweihtag des Stiftes, aber auch ein Festtag, an welchem 
die Stadt ihren Beamten und Dienern eine Weinspende zuteil werden lieh, 
ebenso wie auf Pfingsten und Weihnachten. Da mag in alter Zeit in manchem 
Wirtshaus die Pfeife erklungen sein zum fröhlichen Tanz. Und so wurde 
auch gern ein Tänzchen improvisiert. Dann wurde der Stadtmusikant vom 
Martinsturm mit seinen Gesellen geholt und spielte auf, und es ist gut, dah es 
einmal bei solcher Gelegenheit im Tuchhaus, in der Stadt oberem Weinkeller, 
zu bösen Tätlichkeiten kam, denn sonst hätten wir nie etwas davon erfahren, 
wie man hier fröhlich war. 
6in Fest, das den Charakter eines allgemeinen Volksfestes gehabt zu 
haben scheint, feierte die Bürgerschaft unserer Stadt bis ins 17. Jahrhundert, 
von wannen ab sich seine Spuren verlieren. Das war der Brodenreigen- oder 
Brätgenstag; er fiel auf den Donnerstag vor dem Sonntag Gstomihi, den man 
noch heute auf dem fände als den „fetten Sonntag“ bezeichnet, und da der 
diesem folgende „feiste“ Dienstag die Fastnacht ist, so ist das eigentliche Wesen 
des Brodenreigentages aus der Zeit leicht abzunehmen. Soviel wir von dem 
Feste wissen, gab es Veranlassung zu einem großen Schmaus auf dem Rat- 
haufe, zu dem in manchen Jahren ein Ochse eigens vom Magistrat gemästet 
wurde, um da geschlachtet und verspeist zu werden. Schulmeistern, Schülern, 
Bademägden werden zum Feste Präsente aus der Stadtkasse gegeben, ebenso 
wie jeder Beamte seinen Festwein ins Haus bekommt. Der Abendschmaus 
auf dem Rathause aber war offenbar das höchste, was man sich in der Be 
ziehung auszudenken vermochte, und die Teilnahme daran das Ziel vieler 
wünsche, denn ein hiesiger Bürger, Hans Pauß, verspricht vor Tlotar und 
Zeugen, feinen Weinberg und etliche Acker Tandes auf dem Möncheberge dem 
Gotteskasten zu vermachen, wenn ihm dagegen verheißen werde, die Tage 
seines Gebens ihn auf Brodenreigentag zum Mahl aufs Rathaus zu laden. 1 ) 
1) "Uergl. Tlebelthau in Z. H. 6., Bd. 13, S. 103. — Der Dame des Festes (auch 
Brodenreiestag, Brotreyestag, Broitgens- oder Brotgens- und Brätgenstag, Brodentag 
geschrieben) ist noch unerklärt, f. bes. Grotefend, Zeitrechnung des deutschen Mittel 
alters und der Deuzeit, Bd. 1, S. 19, der den Damen zu dem niederdeutschen Wort 
brode — öffentliche Dirne stellt, so daß an einen Tanz solcher Dirnen zu denken wäre. 
Die Erklärung wäre weit einfacher, wenn nur an irgendeiner Stelle einmal statt des 
o ein a im Worte vorkäme, also: Bradenreientag. So geben nach einem Hasunger 
Zinsregister die Bauern der Dogtei dem Kloster auf Fastnacht 7 Pfund zu Braden 
geschoß, und der Sonntag Estomihi ist als Bratensonntag beglaubigt. Wir hätten dann 
im Damen des Festes nur die landläufige Lasseier Aussprache Broden — Braten, mithin 
einen Bratentanz.
	        
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