Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

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Verwaltung noch die Gemeindebürgermeister, die Bauermeister, die Kämmerer, 
Zäpfer oder Weinherren und Baumeister. 
Die Ratsherren mußten eingesessene Bürger der Stadt sein. Neuwahl 
geschah von den Ratsmitgliedern im Verein mit den Handwerksmeistern 
der Gilden und Zünfte, und zwar nach dem Salbuche der Stadt vom Jahre 
1555 in der Weile, daß dem Landesherrn die Namen von drei oder vier ge- 
eigneten Personen behufs Auswahl eingesandt wurden. Nach einer Verord- 
nung Landgraf Wilhelms IV. von 1577 sollten seine Beamten darauf sehen, 
daß nicht Vater und Sohn oder sonst nahe Verwandte zugleich im Rate sähen, 
„sie seien denn vortreffliche Ingenia“. Auch die allzustarke Vertretung einer 
und derselben Zunft ward nicht gern gesehen. 
Die hiesige Ratsverfassung wollte, daß ein Schöffenkolleg mit einem an- 
dern, beide jedesmal von 12 Mitgliedern, von Jahr zu Jahr wechselte, und daß 
bei wichtigen Gelegenheiten, wie z. B. bei der Aufnahme von Anleihen, das 
des Vorjahres mit zugezogen wurde. 
Der Bürgermeister, anfangs Ratsmeister, magister consulum oder ci- 
uium, proconsul genannt, der vornehmste Ratsherr, verdankte seine Stellung 
zweifellos dem Bedürfnis des von dem Schöffenkolleg und seinem Schult 
heißen unabhängig gewordenen Rates nach einer festen Beitung oder wo, 
wie hier in Cassel, beide Kollegien eins waren, dem Streben der Ratsschöffen 
nach möglichster Beseitigung des Schultheißen, die hier auch für die Zivil- 
gerichtsbarkeit soweit gelang, daß derselbe lediglich anwesend sein durfte. 
Die Amtsdauer war, wie bei allen den städtischen Ehrenämtern, einjährig, 
doch wurde die Wiederwahl mit der Zeit nicht nur zulässig, sondern im 18. 
Jahrhundert wenigstens auf gewisse Jahre zur Regel. Die ehedem freie Wahl 
geschah seit Landgraf Philipps Zeiten ganz wie bei den Ratspersonen in der 
Weife, daß der Bandesfürst aus einer vom Rat vorgeschlagenen Zahl von meist 
drei Kandidaten einen auswählte, der nun als Entgelt für seine Mühewaltung 
außer Gerichtssporteln und sogenannten Präsenz- oder Anwesenheitsgeldern, 
einem freien Braulose, Wein- und (später) Branntweindeputaten an den 
hohen Festen und dergl. nur die Freiheit von städtischen Steuern und Ab 
gaben, Diensten und Einquartierungen zu genießen hatte. Eine feste Be- 
soldung bildete sich erst im folgenden Jahrhundert aus, war aber gering. So 
kam es, daß — als rechtskundige Beute für das Amt benötigt wurden — diese 
wenig Luft hatten, ihre meist einträgliche Praxis als Rechtsanwälte zu unter- 
brechen, und die Folge war, daß Bandgraf Moritz einfach die Ernennung zum 
ersten Stadtamt in die Hand nahm. Allein diese Maßregel zeigt bereits den 
Verfall der städtischen Verwaltung.
	        
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