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Sie ist den verschiedenen Kollegien zugeteilt, doch oft so, daß ein und derselbe
Beamte bei verschiedenen Behörden Sitz und Stimme hat. Hofbediente und
oberste Beamte gehören kirchlich zur Hofgemeinde. Diese Honoratioren
oder Schriftsässigen haben ihr eigenes Erbrecht ausgebildet, daher es kam,
daß bis zum Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuches in unserer Stadt nach zwei
verschiedenen Rechten geerbt wurde.
Die dritte Gruppe ist die amtssässige Bevölkerung oder die eigentliche
Bürgerschaft. Ihr Mittelpunkt ist das Rathaus am Markt, wo das Stadt-
gericht seine Sitzungen hält, das zugleich richterliche und Administrations-
behörde ist. Das 16. Jahrhundert zeigt die Stadtverwaltung auf der Höhe
ihrer Entwickelung, lebenskräftig und selbstbewußt steht sie da, aus der Bürger-
schaft noch unmittelbar hervorgegangen und nicht (wie in späteren Jahr-
hunderten) mit Elementen vermischt, die, wie der Bürgermeister, der Stadt-
schreiber und die Hälfte der Schöffen, rechtsgelehrt sein mußten. Das war erst
die Folge der Einführung des römischen Rechts und Prozesses.
Nicht mehr wie früher und wie auf dem Lande genügte es, daß einer
mit eigenem Rauch Jahr und Tag in der Gemeinde gesessen hatte, um ihn
des Bürgerrechts und des Gebrauches der Almende fähig werden zu lassen. a
Er muß sich mit bestimmten Leistungen einkaufen, wenn er ein Haus erwer-
ben und ein zünftiges Gewerbe ausüben will. Auch muß der Bürger dagegen
Lasten auf sich nehmen: er muß nachts die Bürgerwache beziehen, die sich
in den sogenannten Brotbänken im alten Rathaus an der Ecke des Markt-
platzes und der Marktgasse befindet, wo der Wachtmeister das Kommando
führt. Vor öffentlichen Gebäuden sieht er Posten mit dem langen Spieß, und
wenn ein Tärm entsteht, so rückt die Wache aus und kehrt nicht selten mit
blutigen Köpfen heim. Mehr als ein Wachtmeister ist ein Opfer seines Berufes
geworden. — In Kriegszeiten hat der Bürger den Dienst auf den Mauern.
Diese Obliegenheiten erforderten eine stete Übung in den Waffen, insbe-
sondere im Armbrustschießen, und es bildete sich hier — wie sonst in den Städten
— seit dem 15. Jahrhundert eine Brüderschaft der Schützengesellen, die den a
heiligen Sebastian zum Schutzpatron hatte, daher man sie auch Bastiansbrüder
nannte. Sie begingen in der Altstädter Kirche ihre Jahrgedächtnifse, ihre
Übungen hielten sie auf dem Werr ab, wo ehedem das Sckützenhaus stand.
Das Regiment der Stadt steht bei Bürgermeister und Rat. Den Ge-
richtssitzungen, doch hier in unserer Stadt nur den peinlichen, präsidierte von
wegen des Landesherrn als Inhabers der Grafengewalt der Schultheiß, und a
der landgräfliche Rentmeister mußte wegen der Gerichtsbußen, die zur Hälfte
in den Staatssäckel flössen, anwesend sein. Im weiteren gehören zur Stadt-