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Er trollte seine mit der Margarete uon der Saht erzeugten Kinder, die er zu
Grafen und Gräfinnen uon Dietz hatte ernennen lassen, reichlich abfinden;
-er glaubte also wohl seine drei jüngeren Söhne aus der Hauptehe mit sich
auszusöhnen, wenn er sie zu regierenden Landesfürsten machte, da sie sonst
mit jenen auf eine Stufe herabgesunken wären. Der älteste, am meisten be
nachteiligte Sohn hat darum seine Halbbrüder auch später mit glühendem
Hasse verfolgt — seltsamerweise dabei das Andenken des Daters stets hoch
haltend und verehrend, ein Widerspruch, der sich einfach aus der strengen
Auffassung des Dekalogs und speziell des vierten Gebots in jener Zeit er
klärt. Das Denkmal, welches Wilhelm den beiden Eltern über ihrer Gruft
im Chor der hiesigen St. Martinskirche errichten ließ, ist ein redender Beweis
seiner Derehrung. 6s ist dies ein bedeutendes Kunstwerk des Barock; die Der
artiger find die beiden niederländischen Bildhauer Godefroy de Cambray
und Adam sequier de Beaumont. Ein ebenfalls von den Söhnen der Mutter
Christine allein gestiftetes Keliefbild in derselben Kirche, das bereits bald
nach deren Tode aufgehängt wurde, ist eine tüchtige Kunstleistung hessischer
Erzgießerei.
Denn bei all seinem aufs praktische gerichteten und aller Spekulation ab
geneigten Derstand hatte Wilhelm viel Sinn für Wissenschaft und Kunst. Er
bevorzugte aber eben darum die exakten Wissenschaften und die Baukunst
und von ersteren wiederum die Astronomie, Physik und Botanik. Er richtete
sich hier auf dem Schloß (nicht auf dem Zwehrenturm) eine Sternwarte ein,
auf der er 1575 den Besuch des dänischen Astronomen Tycho Brahe empfing,
und beschäftigte außer Christoph Kothmann den ausgezeichneten Mechaniker
Jobst Bürgi, der u. a. die große astronomische Kunstuhr für ihn verfertigte,
sowie ein ausgezeichnetes Triangulationsinstrument, die noch im hiesigen
Museum zu sehen sind. Bürgi, aus Lichtensteig in der Schweiz gebürtig, wurde
1579 vom sandgrafen als Hofuhrmacher angestellt. In seinem Hause am
Graben Tlr. 46, das ihm eigen gehörte, rechnete der gelehrte Mann, der es
verschmähte, bei Lebzeiten seine Schriften herauszugeben, als erster mit den
von ihm (lange vor Cord Napier) erfundenen so garithmen, so daß er an sei
nem Hause wohl eine Gedächtnistafel verdient hätte. Er starb hier, nach
dem er von 1603—1622 im Dienste Kaiser Rudolfs II. in Prag gestanden
hatte, hochbetagt im Jahre 1632. Wilhelms Dorliebe für die Botanik war
der wesentliche Grund, daß er seit 1568 unterhalb des Schlosses auf der Halb
insel zwischen der großen und kleinen Fulda den unteren Lustgarten, die jetzt
sogenannte Aue, anlegte, in der er seit 1570 ein Lustschlößchen erbaute (Abb.
Tafel 4). Das Studium der Natur wiederum führte ihn zur Medizin, er be-