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Dies ist der Anfang der hiesigen später militärisch organisierten Bürgerschüßen-
Kompagnien, welche bis zum Jahre 1830 fortbestanden haben, um dann in
veränderter Gestalt in die Bürgergarde überzugehen, bezw. für diese die
Grundlage herzugeben.
Durch mancherlei Auszeichnungen und Begünstigungen, wie z. B. daß
der beste Schüße ein Breijahr, d. h. Freiheit von allen bürgerlichen Abgaben,
erhielt, sowie durch häufige Veranstaltung von Schützenfesten haben dann
die sandgrafen Wilhelm und Moritz die edle Kunst eifrig weiter gefördert,
wie hier nur andeutungsweise gesagt werden kann.
ersterer ließ 1575, ziemlich auf der Stelle des bisherigen Schießplatzes,
dem Finkenherd gegenüber ein neues Schützenhaus erbauen, bis auf wieder
holtes anhaltendes Bitten der Bürgerschaft Moritz im Jahve 1607 das Haus
auf dem werr aufführen ließ, wo es — allerdings nach dem Siebenjährigen
Kriege neu aufgebaut — bis in unsere Tage gestanden hat.
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ward die Hauptstadt, wie wir gesehen, der Neuzeit entsprechend gefestigt,
so ging Philipp gleichzeitig daran, sein Schloß der mittelalterlichen Rüstung, die
ihm trotz der Umbauten seines Vaters und Großvaters noch anhaftete, zu ent
kleiden und es in einen der Hofhaltung eines nicht unbedeutenden Staatswesens
entsprechenden Fürsten fitz umzuwandeln. Auch diese Aufgabe übernahm der
junge sandgraf. 1 ) 1557 erstand der neue Küchenbau, nach der späteren Renn
bahn zu; von 1560—1562 der entgegengesetzte nach dem Renthofe hin, der
Frauenzimmerbau genannt, weil darin die Gemächer für die sandgräfin, die
Kinder und deren Hofstaat sich befanden. Auch die Schloßkapelle gehörte
dazu, welche 1563 von dem Hofmaler Michael Müller, einem Schüler sukas
Cranachs, ausgemalt wurde. Gleichzeitig mit diesem Teil erbaute Wilhelm
den Flügel nach der Stadt zu. Der vierte, der sogenannte Rotenstein nach
der Fulda hin, blieb bestehen bis nach Philipps Tode, vermutlich weil er der
neueste war und der alte Herr sich von dem Hause, das fein Vater erbaut
hatte, nicht trennen mochte. Unter Wilhelm IV. fiel auch er, und das Schloß
war damit zu einem harmonischen Bauwerk einfachen, aber soliden Renaissance
stiles umgestaltet (Abb. Tafel 6, 13, 16, 18), in welches Wilhelm noch ein Jahr
vor des Vaters Tode seine junge Gemahlin heimführte, Sabine von Württem
berg, mit der er am 12. Februar 1566 in Marburg Hochzeit gehalten, wer die
Pläne zum Schloß geliefert, wissen wir nicht, wir dürfen es wohl dem Bau-
1) Knetfeh: Zur Baugeschichte des alten Casseier Landgrafenschlosses. (Z. H. 6.,
Bd. 40, S. 310—342). — Longeries.