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Auf der Außenseite der Gräben, der Kontreskarpe, gelangte man auf dem
gedeckten Wege zu je zwischen zwei Bergen gelegenen Waffenplätzen.
Die Bauleitung hatte, wie schon uor der Schleifung, der bewährte An
tonius Kiemenschneider unter Bandgraf Wilhelms spezieller Aufsicht, dem der
Uater hierbei freie Hand ließ. Denn auch in technischer Hinsicht verstand
sich jener trefflich aufs Bauen. 6ine vorzügliche Stütze hatte Wilhelm an dem
Obersten der Festung, Georg von Scholley. Flach Tönjes Kiemenschneider
war es dann der Hofschreinermeister Christoph Müller, ein Universalgenie, der
des jungen Landgrafen Uertrauen in den baulichen Angelegenheiten genoß?)
Zuletzt finden wir Hans Edelmann tätig, welcher u. a. den Kavalier beim
Zwehrentor erbaut (1583).
Mit dem System der runden, turmartigen Bollwerke, das auch bei der
Heubefestigung der Stadt wieder zur Anwendung gekommen war, brach Land
graf Wilhelm erst nach des Daters Tode, ums Jahr 1571, und führte von da
ab Mie polygonale Befestigungsweise, nach italienischer Manier mit zurück
gezogenen Flanken, ein, wobei die Bastionen jetzt erst bombensicher ausge
wölbt wurden. 1 2 ) Daß dies auf den Kat des Jtalieners Kochus Guerini, Grafen
von Xynar, des damals in kurbrandenburgischen Diensten stehenden be
rühmten Jngenieurs und Festungsbaumeisters, der u. a. auch die Werke von
Spandau und Stettin anlegte, geschehen, wird keinem Zweifel unterliegen; 3 )
wenn bereits 1575 ein Signor Kochi dem Landgrafen riet, zwischen dem Zweh-
renberg und Hohentor noch eine Bastion einzuschieben, da die Entfernung bei
der Werke zu groß sei, so wissen wir nicht, ob dieser Kochi mit Kochus von Lynar
identisch ist, dürfen es aber wohl vermuten. Hoch 1579 entschuldigte sich
Lynar, der Einladung des Landgrafen nicht folgen zu können, da er das
„Tertiärfieber“ habe. Wilhelm hatte damals geglaubt, mit einer bloßen
„Catz", einem kleineren Werk zur besseren Grabenbestreichung, auskommen zu
können. 4 ) Daß Lynar nach überstandenem Wechselfieber doch noch in Cassel
gewesen, ist um deswillen wahrscheinlich, weil bald nachher, ganz der 1575
gegebenen Anregung entsprechend, das Neue Tor erbaut wurde, welches
zwischen der heutigen Garnisonskirche, auf deren Stelle damals der Burgsitz
der Herren von Meysenbug stand, und der gegenüberliegenden Häuserreihe,
1) Siche Kn et sch: Zur Baugeschichte des alten Casseier Landgrafenschlosfes. (Z.
K. 6., Bd. 40, 5. 322.)
2) Dilichs Chronik, S. 160.
3) Rommel, Bd. 5, S. 728.
4) Schreiben des Landgrafen an den Kommandanten von Cassel, Oberst Georg
von Scholley, d. d. Friedewald, d. 14. August 1575 (Staatsarchiv Marburg, M. St. S. 817).