Denn seit 1523 ging Philipp mit dem Plane um, die Hauptstadt seines
Landes in eine neuzeitliche Festung mit Erdwerken und Bastionen umzu
wandeln. Den Anfang dazu machte er in dem gedachten Jahre mit der Be
festigung des Schlosses, das damit gleichsam zur Zitadelle der Stadt wurde.
Auf den drei dem Flusse abgekehrten Seiten wurde es mit einem hohen Wall
und tiefen Graben dauor umzogen, welch ersterer bis zum zweiten Stockwerke
des Schlosses ausreichte und mit massiv gemauerten runden, zur Feueruerteidi-
gung auf die Ecken des Walles vorgeschobenen Türmen besetzt und flankiert
war (Abb. Tafel 6). Deren waren es drei: an der Fulda dem Benthof gegen
über ein Rondel, das noch jetzt, wenn auch in erneuerter Gestalt, vorhanden ist;
an der entgegengesetzten Ecke beim Marstäüerplatz das andere, und das dritte
oben beim Steinweg. Die vierte Ecke über der kleinen Fulda blieb frei. 1 )
Drei Jahre später, vom Jahre 1526 an, Uetz Philipp dann auch die Stadt
befestigen, und zwar in der Weise, daß die neuzeitlichen Festungswerke der
alten Stadtmauer vorgelegt wurden, die mit ihren mittelalterlichen Türmen
und Toren bestehen blieb, so daß ein äußeres und ein inneres Tor vorhanden
waren. Jedes derselben wurde durch eine Bastion, Bollwerk oder Berg ge
nannt, gesichert, bezw. durch zwei auf beiden Seiten, wie das Müllertor. 1 2 )
Tlur wurde das im 16. Jahrhundert von den Jtalienern erfundene polygonale
Bastionalsystem noch nicht benutzt, und man begnügte sich wie beim Schloß
mit runden Bollwerken.
Die Leitung des Festungsbaues übertrug Philipp seinem ausgezeichneten
Baumeister Jost Riemenschneider, einem geborenen Lasseier, den später sein
nicht minder bedeutender Sohn Antonius Riemenschneider unterstützte und
ablöste. 3 ) Zuerst baute man den Wall, zu dessen Kosten die Stadt Cassel Jahr
um Jahr recht erhebliche Beisteuern und Leistungen aufzubringen hatte. 1531
wurden die Werke um die Tleustadt angefangen; der Ausbau der Bastionen
erfolgte in den Jahren 1541—1547. 4 ) Beim Ausbruche des Schmalkaldischen
Krieges konnte Cassel als ausgebaute Festung und neben Ziegenhain als das
Hauptbollwerk des Landes gelten, hinter dessen schützenden Wällen die evan
gelische Lehre eine sichere Zuflucht fand.
1) Man sehe die Abbildungen in Wilh. Dilichs Beschreibung und Abriß dero Ritter-
spiel, so Landgraff Moritz zu Hessen angeordnet usw. Cassel 1601.
2) Da aus dieser Periode des Festungsbaues Kein topographisch genauer Plan vor
handen ist, so müssen wir uns eine ausführlichere Beschreibung aufsparen.
3) Knetsch: Zur Baugeschichte des alten Casseler Landgrafenschlosses. Z. H. 6.,
Bd. 40, S. 316 f.
4) Dilich: Hess. Chronik, S. 128. — Schmincke: Beschreibung von Cassel, S. 76.
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