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Deutschen Reiche organisiert hatte und mit gutem Erfolg betreiben ließ,
verboten?) Auch waren bereits an verschiedenen Orten informatorische Pre-
diger aufgetreten und hatten großen Anhang gewonnen. In der Kirche der
Neustadt dahier hatte, wie bereits erwähnt, Joh. Kirchhain 1521 die Messe
zum ersten Male in deutscher Sprache gelesen. 2 ) Seit Ende des Jahres 1524
wurde nicht nur die Messe in allen hiesigen Kirchen deutsch gelesen, auch das
Abendmahl wurde unter beiderlei Gestalt ausgeteilt. 3 )
Die eigentliche Reformation der hessischen Kirche beruht auf den Be-
schlüssen der Synode, die am 21. Oktober 1526 in Homberg abgehalten wurde,
und auf der hier unter dem Vorsit; des Landgrafen und der kundigen Ge-
schäftsleitung seines trefflichen Kanzlers Johannes Peige verabschiedeten
Reformationsordnung. Die einschneidendste Maßregel, die Säkularisation
der Klöster, erfolgte alsdann durch die 1527 in Marburg abgehaltene Kirchen
versammlung und den sich hieran anschließenden Landtag in Cassel. Keine
hat den kirchlichen Charakter des Landes so geändert, das geistliche Leben
so von Grund aus umgestaltet und dem Lande so wohltätige folgen gebracht,
wie diese. Eine Unmenge brach liegender Hilfsmittel wurden damit wieder
gewonnen. Dor allem wurde der „Möncherei", d. h. dem Ibahn, als könne ein
der Welt entfremdetes Leben Gott wohlgefälliger fein und sicherer zur Ver
söhnung mit ihm führen als ein in ihr wirksam schaffendes, in der Vorstellung
des Volkes ein Ende gemacht.
Es gehörte fürwahr kein geringer Mut dazu, die Konsequenzen der neuen
Lehre zu ziehen. Aber Philipp war der unerschrockenste Vorkämpfer der Re
formation, und die Nachwelt hat ihm darum auch den ehrenden Beinamen
der Großmütige gegeben. In unserer Stadt waren es vier klösterliche Kongre-
gationen, die von der Säkularisation betroffen wurden. Die Aufhebung des
Karmeliterklosters ging, ebenso wie die des Kugelherrenhaufes, ohne sonder-
liche Umstände vor sich, für erstere fiel mit der Glaubensänderung des Hofes
auch der Kirchendienst in der Schloßkapelle fort, und die Almosen, auf die
sie sonst angewiesen waren, blieben seit 1524, wie sie selbst gestehen, derart
aus, daß sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr hatten. Deshalb übergaben
sie, die durch ihren Lesemeister Johann a Campis bereits für Luthers Lehre
gewonnen waren, nämlich der Subprior Gottfried Hagedorn und 22 Brüder,
1) Fr. XU leg and: Die Stadt Cassel und der Ablaß (Z. Ti G. Bd. 38, S. 185).
2) Er hieß eigentlich Angrund und war aus Kirchhain gebürtig. Später führt
die Familie — so der Sohn, der in Krumbach Pfarrer war — den Damen Ehr har d.
3) Küch: Landgraf Philipp und die Einführung der Reformation in Hessen,
(Z. H. 6. Bd. 38, S. 214).