Zusammenkunft Klage bei den Wettinern, und diese ordneten für Anfang
März einen allgemeinen Landtag nach Cassel an, auf dem die vorgebrachten
Beschwerden gründlich untersucht werden sollten. Die Tagung, zu welcher die
Herzöge Johann und Heinrich von Sachsen persönlich mit stattlichem Befolge
von 300 Pferden erschienen, während Kurfürst Friedrich und Herzog Georg
sich durch ihre Räte vertreten ließen, fand vom 13. bis 24. März dahier statt.
Die Landgräfin war mit ihrem Anhang und mit einem Aufgebot von mecklen
burgischen, württembergischen und brandenburgischen Räten nicht minder
stattlich von Felsberg her, wo man sich versammelt hatte, eingeritten, und nun
begann alsbald eine erbitterte Redeschlacht zwischen den Parteien, in welcher
die Regenten einen schweren Stand hatten. Denn Anna traf sie mit der aus
dem Munde der Mutter sehr wirksamen Anklage, daß sie ihr den Sohn ver
nachlässigt hätten, also daß er durch Derschulden der Diener einen schweren
Ceibesschaden (man vermutet einen Bruck) davongetragen habe. Die Be
hauptung der Landgräfin wurde als unwahr erwiesen, und auch auf die
übrigen Klagepunkte verteidigte sich Boyneburg mit Ruhe und Würde, so
daß die anwesenden Fürsten ganz auf seine Seite traten. Enttäuscht und
mit dem die Geschäftsführung Boyneburgs billigenden gefaßten Abschied un
zufrieden, verließ Anna mit ihrem Anhang am 24. die Stadt und kehrte
nach Felsberg zurück, Doch sofort schritt ihre Partei zur Gewalt. Am nächsten
Tage schon wurde Spangenberg, am darauffolgenden Marburg eingenommen,
und am 27, März kam es in Cassel zur offenen Empörung gegen die Regenten
und ihre Schützer.
Hier in der Hauptstadt des Landes war der Rat gut ständisch gesinnt
und hielt zu der gesetzlich bestehenden Regierung; die Bürgerschaft dagegen
stand auf seiten der Landgräfin. Das instinktive Bewußtsein, wo ihr Vorteil
liege, war hier ausschlaggebend. Die Anklage der Mutter, ob auch unbegrün-
det, hatte tief eingeschlagen. Ein äußerlicher Anlaß kam dazu, das Feuer zu
entzünden. Etliche hiesige Einwohner waren nämlich nach dem Kloster Heida
bei Morschen gewallfahrtet, durch welche Parteigänger der Landgräfin, die jetzt
den Regenten offene Fehde angesagt hatten, auf der Heimfahrt in echt mittel
alterlicher Weise, vielleicht sogar in bewußter Absicht, ausgeplündert wurden.
Das gab den Betroffenen, und vornehmlich einem zungenfertigen Weibe, Uer-
anlassung, auf dem hiesigen Marktplatz unter lautem Schimpfen und Wehklagen
die Regenten auch hierfür verantwortlich zu machen, indem sie versprochen
hätten, für allen Schaden gut zu sein. Es gab einen großen Auflauf, die Bürger
griffen zu Wehr und Harnisch und rotteten sich, wohl 14 oder 1500, zusammen.
Der Zorn richtete sich hauptsächlich gegen den Stadtschreiber und zwei Rats-
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