Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel

spruch des Rates, die gefänglich einzuziehenden Bürger in den Gewahrsam 
der Stadt zu geben, bei ihm nicht durchzusetzen. Derselbe wurde am 4. Juli 
1491 ausdrücklich mit der Begründung, daß alles Gericht in der Stadt des Land 
grafen sei, zurückgewiesen. 
Im nächsten Jahre unternahm Wilhelm eine Pilgerreise nach Jerusalem 
und kehrte über Rom, wo er von Papst Jnnozenz VII. mit einem kostbaren, 
noch im hiesigen Museum befindlichen Schwert beschenkt wurde, und über 
Venedig nach der Heimat zurück. Auf der Fahrt gelobte er den armen Siechen 
uor der Neustadt dahier für glückliche Heimkehr ein Geschenk von 80 Gulden, 
deren Betrag er auf seine Rente bei hiesiger Stadt anwies. 
Zwar kehrte er gesunden Leibes heim, aber sein Geist soll, wie erzählt 
wird, auf der Reise in dem leichtlebigen Venedig unheilbaren Schaden ge 
nommen haben. Er hatte seitdem das „Dotzeln" im Kopf und ward ge 
nötigt, im Jahre 1493 seinem jüngeren Bruder Wilhelm die Regierung ab 
zutreten. Seitdem vergeudete er Zeit und Geld in törichten Versuchen, 
Gold zu machen. 
Sein Nachfolger Wilhelm, der Mittlere genannt, weil sein Vetter in Mar 
burg, der Sohn Heinrichs III., auch Wilhelm hieß und der jüngste war, ver 
mählte sich im November 1497 mit Jolantha von Lothringen, die aber im 
Mai 1500 mit ihrem neugeborenen Kinde starb. Nock im selben Jahre, im 
Oktober, führte Wilhelm dann die schöne, aber nicht eben, wie Jolantha, weib 
lich-zarte Anna von Mecklenburg heim. Beide Hochzeiten wurden mit dem 
üblichen Turnier gefeiert; das der zweiten gab leider Anlaß zu einem ärger 
lichen wappenstreit. Denn da mit dem Tode Landgraf Wilhelms des Jüngeren, 
des einzigen Sohnes der Gräfin Anna von Katzenelnbogen, diese Grafschaft 
mit der Marburger Erbschaft zusammen an Niederhessen gefallen war, aber 
auch der Eidam Heinrichs III., der Graf Johann von Nassau-DMenburg, wegen 
seiner Gattin Ansprüche auf Katzenelnbogen erhob und deshalb, als er bei der 
Hochzeit Wilhelms des Mittleren in Cassel als Gast anwesend war, an seiner 
Herberge neben dem nassauischen auch das katzenelnbogenscke Wappen aus 
gehängt hatte, so gab der Landgraf Befehl, letzteres herunterzureißen. Erz 
bischof Hermann von Köln und Herzog Georg von Sacksen, die auch zu Gaste 
waren, vermittelten den Streit, indem sie den Grafen bestimmten, seine An- 
sprüche auf dem Rechtswege zum Austrag zu bringen. 
Durch die Wiedervereinigung von Nieder- und Oberhessen und den 
Anfall der reichen und schönen Grafschaft am Rhein, deren Besitz bereits 
Wilhelms Oheim Heinrich den Beinamen „der Reiche" eingetragen hatte, 
machten den Landgrafen von Hessen zu einem der mächtigsten deutscken 
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