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Zu Ende des 15. Jahrhunderts (1486) hat jeder der drei hiesigen Stadtteile
seine eigene Schule, die ohne Zutun des Stadtsäckels erhalten werden. 1 )
Am 17. Januar 1458 war Landgraf Ludwig I. unerwartet auf dem Schlosse
zu Spangenberg gestorben. Da er über die Dachfolge keine letztwillige Ver
fügung getroffen und nur seinem zweiten Sohne Heinrich bei dessen Ver
lobung mit Anna, der einzigen Tochter und Erbin des letzten Grafen uon
Katzenelnbogen, versprochen hatte, daß er mit seinem Bruder in gleiche Teile
gehen solle, so einigten sich die beiden ältesten Söhne Ludwig II. und Hein
rich III. dergestalt, daß ersterer Diederhessen und die Lande an der IVerra,
letzterer Oberhessen und die seit dem Jahre 1450 nach dem Tode des letzten
Grafen Johann des Starken mit Hessen vereinigte Grafschaft Ziegenhain
übernahm. Der dritte Bruder Hermann hatte sich dem geistlichen Stande ge
widmet und wurde später Kurfürst von Köln.
Heinrich, von feinem gewalttätigen Hofmeister Hans von Dörnberg
beherrscht und aufgehetzt, glaubte sich über die „gleiche Teilung“ der Lande
nicht eher beruhigen zu dürfen, als bis auch der letzte Pfennig und das letzte
Ei ihm zu seiner Hälfte geworden sei, so daß — nachdem sich beide Brüder
im Jahre 1460 über die vorläufige Teilung des Landes zunächst auf vier Jahre
geeinigt hatten — die folgende Zeit bis 1470 durch steten Hader und zuletzt
sogar durch landverwüstende Fehde ausgefüllt wurde, in der u. a. Ludwig
die Städte Borken und Schwarzenborn in Asche legte, und von beiden Seiten
viel Verwüstung geschah. Trotz ihrem auf einem Landtag des Jahres 1468
gefalzten Beschluß, in dem Streit der Brüder neutral zu bleiben, wurden auch
die hessischen Stände in den Hader hineingezogen, und das Ende der Ver
wüstung wäre nicht abzusehen gewesen, wenn nicht Hermann, der dritte Bru
der, mit unermüdlichem Eifer die Vermittlerrolle in die Hand genommen
hätte. Durch seine Vorstellungen brachte er es dahin, daß von den Städten
zuerst die höhere Berechtigung des Staatswohles gegenüber dem Privatinteresse
der Brüder, welche ihr Erbe einzig unter dem Gesichtspunkte des Familien
gutes betrachteten, in den Vordergrund gestellt ward. Cassel hat in den
Jahren 1469 und 1470 eifrig mit Hermann, der damals Domherr in Köln
und Dompropst von Fritzlar war, und mit den anderen Städten den Aus
gleich betrieben, und die hadernden Landgrafen sahen sich endlich bewogen
einzulenken und bei einer Zusammenkunft auf der alten Malstatt am Spieß
am 25. Mai 1470 sich zu vertragen. Aus den unerquicklichen Verhandlungen
der beiden fürstlichen Brüder interessiert den Geschichtsschreiber der Stadt
1) Weber: Geschichte der städtischen Gelehrtenschule zu Cassel, S. 9.