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der dem heit. Georg geweihten Kapelle benannten sie ihn das Georgenstift
und erhielten 1488 die päpstliche Bestätigung. Die Hauptaufgabe der Kogel
herren, die ihnen ihr Orden zur Pflicht machte, war die Pflege der Wissen
schaft durch Abschreiben von Büchern und Unterrichten der Jugend, und um
dieses Unterrichtes willen hatte der Landgraf sie zweifellos zur Niederlassung
in seinen beiden Residenzen — denn auch in Narburg ermöglichte er die Grün
dung eines Kugelherren-Haufes — vermocht. Durch die Hilfe und Unter
stützung, die dieser einsichtige Fürst der Bursfelder Union angedeihen lieh in
der Hoffnung, dah es gelingen könne, die tief gesunkenen Klöster zu refor
mieren, hatte er seinen Eifer für Besserung der kirdilichen Zustände seines
Bandes an den Tag gelegt. Der Befund der Klöster muhte ihm und seiner
Umgebung gezeigt haben, auf welch niedriger Stufe der Bildung sich die Träger
der Religion befanden, die von Rechts wegen die Gehrer des Volkes fein sollten.
Die Chorherren des St. Nartinsstiftes unterhielten, wie wir bereits
sahen, auch eine Schule in hiesiger Stadt. So werden 1400 die Schüler zum
Tragen von Ziegeln und Stroh beim Kirchenbau gebraucht, 1401 wird die
Schule gedeckt, die auf der Ecke der HohentorstraHe (nach dem heutigen Phi
lippsplatze zu) gelegen war. Aber 1419 ist das Stift schon lange ohne Schul
meister, und die Schule, die mehrere Jahre wüst gestanden, soll fortab in Bau
und Besserung gehalten und anderweitig ausgetan werden, bis man wieder
einmal eines Schulmeisters habhaft werden kann. So war es der Wille des
Gandgrafen. 1 ) Auch ist 1430 ein Stiftsschulmeister wieder vorhanden, Johannes
Eleman genannt, und wir hören später von Chorschülern, die den Psalter
lesen können. Wenn es aber von „unsers herren des dechands schüler" Johannes
heiht, dah er sich mit Schreiben von Briefen (d. h. Urkunden) Geld verdient
habe, so dürfen wir annehmen, dah der Dechant ihn selbst soweit gefördert
hatte.
Darum war es ein glücklicher Griff Ludwigs, dah er die hochehrenwerten
und gewissenhaften Kogelherren herbeirief, von deren Wirksamkeit im ein
zelnen wir hier zwar nichts wissen, die aber gewih genau so wie an anderen
Orten ihrer Pflicht nachgekommen sind. Mit Recht weist Piderit in seiner Ge-
schichte der Stadt Cassel (Seite 66) darauf hin, daß im Anfang des folgenden
Jahrhunderts mehrere Casseler Bürgersföhne sich als tüchtige Gelehrte aus
zeichneten, ja im Jahre 1528 vier derselben zu gleicher Zeit Kanzler an vier
verschiedenen Fürstenhöfen waren, und dah diese Männer zweifelsohne ihre
Vorbildung für die Universität den gelehrten Kogelherren verdankten.
1) Urkunde des Martinsstifts von 1419, April 24., Marburg, Staatsarchiv.