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wollen. Beide Kirchenfürsten rechtfertigten sich jedoch. Ein andermal wurde
ein Mann gefaßt, Friedrich Folien mit Flamen, der versucht hatte, die Stadt
Cassel an acht Ecken in Brand zu stecken. Am 2. November peinlick befragt,
bekannte er, im Anftrage des Ritters Engelhard von Rodenstein gehandelt zu
haben, der sich durch die hessischerseits geschehene Besitznahme der Herrschaft
Eisberg, nach dem Aussterben der Herren gleichen Namens, benachteiligt
glaubte. Die sonst nach autzen friedlichen Verhältnisse ermöglichten es Ludwig
und seinen Räten, den Territorialstaat im Jnnern mehr und mehr zu festigen.
Aber eigentlich waren es nur die Stadtgemeinden, wo eine geordnete Rechts
pflege gehandhabt werden konnte. Wie sehr der Adel des Landes noch immer
in kriegerischer Unbändigkeit dem Rechtsstaat widerstrebte, zeigt die sogenannte
Bundesherrenfehde, die seit 1442 zwischen Werner von Elben und seinem An-
hang einerseits und Friedrich von Hertingshausen, dem sein Oheim, der wilde
Ritter Reinhart von Dalwigk der Hngeborene, Beistand leistete, andererseits
entbrannte. Fast der gesamte niederhessische Adel beteiligte sich daran, und
zwölf Jahre lang tobte der Kampf, zuweilen bis unter die Mauern unserer
Stadt, die um deswillen wohl im Jahre 1446 sich eine neue Büchse (Kanone)
giesten liest. Der Eandgraf, ohnmächtig, dem Recht Geltung zu verschaffen, ver
mittelte, soviel er konnte. Hm der Wiederkehr solcher anarchischen Zustände
zuvorzukommen, erliest er im Jahre nach der Beendigung jener Fehde (1456)
die erste Gerichtsordnung für das ganze Eand, und es darf hervorgehoben
werden, dast auster den Räten seines Hofes auch der Rat der Stadt Cassel bei
Aufstellung des Gerichtsuerfasfungsgesestes zur Mitwirkung berufen wurde. 1 )
Den schönsten Abschlust gab der Eandgraf seiner Regierung durch die
1454 erfolgte Berufung der Brüder des gemeinsamen Eebens in unsere Stadt.
Er räumte ihnen den von ihm selbst früher zeitweise bewohnten, dann
1433 den Brüdern Fiele und Henne von Wehren vorübergehend zu Eehen
gegebenen Weisten Hof ein, dast sie dort sich der Fürsorge für die Jugend
widmeten. Schöner hätte er den Gewaltakt seines Vaters gegen den einstigen
Eigentümer des Hofes, den unglücklichen Kunz Seeweis, nicht sühnen
können, wenn dieser auch in der Schenkungsurkunde noch als der Verräter
gebrandmarkt wird. Die Brüder vom gemeinsamen Leben, deren Orden
Gerhard Groot aus Deuenter im Jahre 1371 gestiftet hatte, und die man
nach ihrer runden Kopfbedeckung gewöhnlich Kogelherren benannte, kamen
aus dem Lüchtenhofe zu Hildesheim und bauten sich den Weistenhof aus,
der damals noch nach der Seite des Töpfenmarktes zu geschloffen war. Nach
1) Hess. Landesordnungen, Bd. 1, S. 10 ff.