Full text: Geschichte der Residenzstadt Cassel


85 
Jungfrauen und Mägde auch nicht mehr sein denn zwölfe. Gefeiert wird, 
wie heute noch, zuerst der Hochzeitsabend, den wir als den Polterabend be 
zeichnen. Dann kommt andern Tags zu Mittag die Brautsuppe und abends 
zeitig „der rechte Jmbs". für je zwei Gäste rechnet man eine Schüssel. Darnach 
bemifjt die Ordnung die Zahl der zu ladenden Gäste am Hauptabend auf 
hundert, für jeden Gast mehr büßt der Hochzeiter mit zehn Schillingen, und 
wer (was häufig genug vorkam) ungeladen hingeht, wird in die doppelte Strafe 
genommen. Da werden der Strafgelder viel eingekommen fein, in die sich 
der sandgraf (zu zwei Dritteln) mit der Stadt (zu einem Drittel) teilten. 
Denn darauf war es bei den Erlassen vielfach abgesehen. 
welch ein buntes Bild eine Hochzeit der damaligen farbenfreudigen 
Zeit darbot, mag man sich vorstellen, wenn uns Küch an der Hand einer Rech 
nung aus 1430 die Tracht des hiesigen Hofgesindes beschreibt. Die vorherr 
schende Farbe war grün, mit einem Besatz in den sandesfarben von rot und 
weih. Jn den baumwollenen Jacken trug man andersfarbige Ärmel aus Tuch. 
Die Röcke wurden aus grauem, auch rotem, weitem und schwarzem Tuch ge 
fertigt. Die eng anliegenden Hosen trug man teils aus Tuch, teils gestrickt, in 
schwarzer, aber auch roter Farbe, oder beide Beine andersfarbig. Dazu schwarze 
oder rote Schuhe. Den Kopf bedeckte man meist mit der Kogel, einer hohen 
Tuchmütze aus schwarzem oder rotem Stoff, seltener mit dem Filzhut. Ähnlich 
farbig waren die Frauenzimmer bekleidet. Die Hofkapelle, die aber auch zu 
den Reigentänzen der Bürgerschaft auf dem Tuchhaus und dem Hochzeits 
haus aufspielte, bestand aus zwei Pfeifern, einem Trompeter und einem Po 
saunenbläser. Diese Männer standen in des sandgrafen Sold. Daneben aber 
kamen auch noch häufig fahrende Spielleute in die Stadt und an den Hof, 
Sänger und Sängerinnen, die ihre sieder zur saute vortrugen. Ja selbst in 
hiesiger Stadt lebte ein solcher Spielmann, Konrad suternbach genannt, der 
bei Hofe sang und einmal sogar dem sandgrafen etliche geschriebene sieder 
überreichte. Ob er die selbst gedichtet, wissen wir nicht. Das Honorar von ei 
nem Gulden, das er hierfür erhielt, war nicht sehr reichlich und lätzt den Schluß 
nicht zu, daß suternbach der Dichter der sieder gewesen sei. Daß sie uns nicht 
erhalten find, ist sehr bedauerlich. 
Die Zeiten, wo die Fürsten die Spielleute mit Geschenken überhäuften, 
waren vorbei, und die Poesie spielte nur eine untergeordnete Rolle im sehen. 
Aber daß sudwig ein Freund des Gesanges und der Musik war, unterliegt 
keinem Zweifel, und die Rachricht der Chronisten, daß der Dater ihn seiner 
Kränklichkeit halber in der Jugend ohne alle feinere Bildung habe aufwachsen 
lassen, wird durch seine späteren Neigungen nicht bestätigt. Vielleicht war
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.