66
willen merkwürdig ist, weil die Stadt damals außer mit zahlreichen Teuer
pfeilen auch mit Steinkugeln aus Teuerbüchsen, also aus großen Beschützen,
beschossen wurde. Die verbündeten Türsten, die ihr £ager bei Wehlheiden
genommen hatten, schritten von der Höhe des Weinberges her zum Angriff,
weil hier die tiefer gelegene Stadt am günstigsten unter Teuer zu nehmen
war. Hundert Pfund Büchsensteine und über 500 Teuerpfeile sollen in die
Stadt geschleudert worden fein. Allein nun bewährte sich die uon Bandgraf
Heinrich II. schon bei Erbauung der Treiheit gegebene Anweisung, daß die
Häuser auf der Mauer mit Steinplatten oder Ziegeln gedeckt fein mußten:
die Teuerpfeile verfingen nicht. Aber die Bürger und die mit ihnen die Mauern
verteidigten, hielten sich auch tapfer; der Sturm der Teinde, der sich haupt
sächlich gegen das Zwehrentor richtete, wurde abgeschlagen; dann öffnete sich
das Tor, und die Bürger fielen den weichenden in den Rücken und jagten sie
bis in ihr Bager und nach Tliederzwehren hin. Tloch im Jahre 1535 sah Hans
Wilhelm Kirchhof, der Dichter des wendunmuth, am Wege nach Wehlheiden,
da wo früher eine Klause, die Emmerichsklause, später auch Emmels- oder
Emausklause (die Wohnung eines Einsiedlers) genannt, gestanden hatte, sechs
steinerne Kreuze, ein hohes aus rotem Sandstein, vier ein gut Teil niedri
ger und ein kleines auf der Stelle, wo ein Herr von Mörs mit vier Knechten
und einem Jungen zu Tode gestochen worden war. Kirchhof kannte noch
einen alten Mönch im hiesigen Brüderkloster, Herr Anebold geheißen, dessen
Großvater mit im Streit gewesen war, und der dies seinem Enkel erzählt
hatte, und auch daß die von Cassel zwei wagen voll mit Schuhschnäbeln, wie
solche damals Mode gewesen, nach ihrem Siege heimgefahren hätten. Denn
diese Spitzen hatten die Feinde vor dem Sturm, „damit sie desto besser steigen
und bequemer fortgemöcht, abgeschnitten, darbey wol abzunemmen, daß ihr
ein mächtiger hauff und große gewalt den sturm vorgenommen“. 1 )
Die Verbündeten mußten wieder von der wohlbefestigten Stadt ab
ziehen. Der Erzbischof wandte sich südwärts gegen ßudensberg, das er am
2. September berannte. Er legte die Stadt in Asche und zwang auch die we-
nigenburg zur Übergabe, aber der Obernburg wurde er nicht Meister, dank
der mannhaften Haltung des tapfern Ritters Eckebrecht von Briste, der sie
verteidigte. Nachdem Adolf noch Hiedenstein, Burg und Stadt, in seine Gewalt
gebracht hatte, sah Hermann sich genötigt, am 10. September einen Waffen
stillstand nachzusuchen, der ihm auch gewährt wurde. Er verlor hier die Städte
Rotenburg, Melsungen und Niedenstein und mußte sich in allem den Be-
1) H. W. Kirchhofs Wendunmuth, Bd. 2, No. 61, S. 329f.