Full text: Abschiedsworte am Grabe der Frau Louise Wilhelmine Emilie Gräfin Bose geb. Gräfin von Reichenbach-Lessonitz

Ueber einen anderen Grundzug ihres Wesens möchten 
wir wohl gerne ihren hohen, theuren nächsten Angehörigen 
das Wort überlassen. Sie allein konnten empfinden, könnten 
aussprechen, welcher zarten, aufopfernden, ewig neuen Liebe 
bis zum Grabe dieses Herz fähig, wie es ihm Bedürfniß 
war, — dieses Herz, das jetzt für sie zu schlagen aufgehört 
hat. Wohl ist in jener herben Todesstunde ein jäher Riß 
durch die Seele dieser Theuern gegangen, der nicht überbrückt 
werden kann, aber — die Liebe höret nimmer auf, und die 
beseligende Erinnerung an sie wird ihre Lieben mit ihr ver- 
bunden erhalten ewiglich. 
Doch auch Andere noch durften ihrem Herzen näher treten, 
— ein kleiner Kreis, der hier am Grabe steht und Abschied 
nimmt für immer. Die edle Stirne, auf der ihr hoher Geist 
leuchtete, die strahlenden Augen, die so freundlich blicken 
konnten, die liebernste Stimme, die so gerne und schön mit- 
theilte aus dem reichen Geistesleben, — wir werden sie nicht 
wieder sehen, nicht wieder hören. — Doch, wer will das 
sagen? Wird sie nicht im Geiste uns immer gegenwärtig 
bleiben? Werden wir uns nicht oft fragen: Was hätte sie 
jetzt gesprochen? Wie hätte sie geurtheilt, gehandelt? 
Aber auch mit der Freundschaft war das Bedürfniß 
ihres großen Herzens noch nicht erfüllt. — Kommet her Ihr 
Alle, nur ihr bekannte, in hohen und niederen Lebenskreisen, 
deren Thränen sie im Stillen getrocknet, deren Noth sie ge- 
lindert, oft ganz gehoben hat! Sie verschmähte, so lange 
sie lebte, alle öffentliche Danksagung, aber heute dürft Ihr 
laut mit uns zeugen, leider klagend zeugen, — Eure Wohl- 
thäterin ist dahin gegangen. 
Noch vergönnt mir, hochverehrte, trauernde Freunde der 
Verblichenen, an ein Drittes zu erinnern in ihrem Charakter- 
bilde. Ihrem großen Denken, ihren warmen Fühlen ent-
	        
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