Ueber einen anderen Grundzug ihres Wesens möchten
wir wohl gerne ihren hohen, theuren nächsten Angehörigen
das Wort überlassen. Sie allein konnten empfinden, könnten
aussprechen, welcher zarten, aufopfernden, ewig neuen Liebe
bis zum Grabe dieses Herz fähig, wie es ihm Bedürfniß
war, — dieses Herz, das jetzt für sie zu schlagen aufgehört
hat. Wohl ist in jener herben Todesstunde ein jäher Riß
durch die Seele dieser Theuern gegangen, der nicht überbrückt
werden kann, aber — die Liebe höret nimmer auf, und die
beseligende Erinnerung an sie wird ihre Lieben mit ihr ver-
bunden erhalten ewiglich.
Doch auch Andere noch durften ihrem Herzen näher treten,
— ein kleiner Kreis, der hier am Grabe steht und Abschied
nimmt für immer. Die edle Stirne, auf der ihr hoher Geist
leuchtete, die strahlenden Augen, die so freundlich blicken
konnten, die liebernste Stimme, die so gerne und schön mit-
theilte aus dem reichen Geistesleben, — wir werden sie nicht
wieder sehen, nicht wieder hören. — Doch, wer will das
sagen? Wird sie nicht im Geiste uns immer gegenwärtig
bleiben? Werden wir uns nicht oft fragen: Was hätte sie
jetzt gesprochen? Wie hätte sie geurtheilt, gehandelt?
Aber auch mit der Freundschaft war das Bedürfniß
ihres großen Herzens noch nicht erfüllt. — Kommet her Ihr
Alle, nur ihr bekannte, in hohen und niederen Lebenskreisen,
deren Thränen sie im Stillen getrocknet, deren Noth sie ge-
lindert, oft ganz gehoben hat! Sie verschmähte, so lange
sie lebte, alle öffentliche Danksagung, aber heute dürft Ihr
laut mit uns zeugen, leider klagend zeugen, — Eure Wohl-
thäterin ist dahin gegangen.
Noch vergönnt mir, hochverehrte, trauernde Freunde der
Verblichenen, an ein Drittes zu erinnern in ihrem Charakter-
bilde. Ihrem großen Denken, ihren warmen Fühlen ent-