Full text: Brief von Wilhelm Sander an Viktor Kühne

Zwei Miszellen zur Vertreibung der Brüder Grimm aus Göttingen.       315

Gedicht gesandt habe, bis Weißenfels." - Die Original-Niederschrift
dieses Gedichtes hat sich unter den Papieren von Louis Grimm er-
halten. Jacobs jüngstem Bruder, in dessen Hause zu Kassel der Forscher
seit dem 17. Dezember 1837 wohnte. Das Original trägt die Überschrift
"Die Landflüchtigen", ist unterzeichnet Franz Freiherr von
Gaudy und datiert "den 17. Dezember 1837".
  Das Gedicht erschien zum erstenmal in dem (von Chamisso und Gaudy)
herausgegebenen "Deutschen Musenalmanach für das Jahr 1839"; nach
Gaudys frühem Tode (1840) in der ersten Ausgabe der "Sämmtlichen
Werke" (Berlin 1844), Bd. 1, S. 195/961). Beide Male ist der Titel "Die
Landesflüchtigen", beide Male fehlt jeder Hinweis, auf wen das Gedicht
sich bezieht. Den Zeitgenossen von 1839 war es unzweifelhaft, daß es sich
um Jacob Grimm, Gervinus und Dahlmann handle, denen der König
Ernst August von Hannover den am 12. Dezember 1837 ausgefertigten Be-
fehl hatte zugehen lassen, binnen drei Tagen das Land zu verlassen, wor-
den sie - wie ihnen ihr Paß vorschrieb - bei Witzenhausen am 16. (17.?)
Dezember die Hannöversche Grenze überschritten ...
 Das vergessene Gedicht ist charakteristisch als Echo der Gesinnung und
Stimmung aller "Wohlgesinnten in Deutschland", die empört waren über
die Geist und Gewissen niedertrampelnde Brutalität des Hannöverschen
Tyrannen. Es lautet nach dem Original, Druck-Varianten in:

                  Die Landflüchtigen.

 Drei [edle] Männer ziehen aus ihrer Heimatstadt,
Aus welcher sie der Willkür Gebot vertrieben hat.
Dort stellten sie die Frage: Wollt Ihr meineidig sein?
Dort schüttelten die Drei[e] das Haupt und sprachen: "Nein!

 Wir haben nur geredet, was das Gewissen lehrt,
Wir haben nur als Männer das Wort durch Tat bewährt.
So Gott uns helfen möge, hier wird das Weigern Pflicht!
So Gott uns helfen möge, wir können anders nicht!

 Ob wir auch landesflüchtig - uns bleibt der bessre Teil;
Am weißen Stabe blühet des Seelenfriedens Heil.
Ob uns die Luft des Lebens verbleibt - das fragt sich noch;
Ein Grab in deutscher Erde, das lassen sie uns doch."

 Schon haben sie erreichet der Grenze Wappenpfahl,
Da schauen mit ernsten Blicken 2) sie rückwärts noch einmal.
Das Volk blickt stumm und schüchtern auf die vertriebnen Drei --
Der Liebe Zeichen wehren Gensdarm und Polizei.

 1) In der 2. Auflage der S. W., die ebenfalls Gaudys Freund Arthur
Mueller besorgte (1853/54) ist das Gedicht fortgelassen!
 2) So im Original; im Druck: mit ernstem Blicke.
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.