Full text: Kinder- und Hausmärchen

301 
zum dritten das ewige Himmelreich nach meinem Tode.' Das 
ward ihr auch zugesagt, und also schied der liebe Gott von ihr. 
Wie nun die Stiefmutter mit ihrer Tochter nach Hause 
kam und sah, daß sie beide kohlschwarz und häßlich waren, 
die Stieftochter aber weiß und schön, da stieg die Bosheit 
in ihrem Herzen noch höher, und sie hatte nichts anders im 
Sinn, als wie sie ihr ein Leid anthun könnte. Die Stief 
tochter aber hatte einen Bruder, namens Reginer, den liebte 
sie sehr und erzählte ihm alles, was geschehen war. Nun 
sprach Reginer einmal zu ihr ‘liebe Schwester, ich will dich 
abmalen, damit ich dich beständig vor Augen habe, denn 
meine Liebe zu dir ist so groß, daß ich dich immer anblicken 
möchte.' Da antwortete sie ‘aber laß niemand das Bild 
sehen.' Er malte sich nun seine Schwester ab und hing das 
Bild in seiner Stube auf; er hatte aber seine Wohnung in 
des Königs Schloß, bei dem er Kutscher war. Alle Tage 
blieb er davor stehen und dankte Gott für das Glück, das 
er seiner lieben Schwester verliehen hatte. Nun war gerade 
dem König, bei dem er diente, seine Gemahlin verstorben, 
welche so schön gewesen war, daß man keine finden konnte, 
die ihr gliche, und der König war darüber in tiefer Trauer. 
Die Hofdiener sahen es indessen dem Kutscher ab, wie er 
täglich vor dem schönen Bilde stand, mißgönntens ihm und 
meldeten es dem König. Da ließ dieser das Bild vor sich 
bringen und sah, daß es in allem seiner verstorbenen Frau 
ähnlich war, nur noch schöner, daß er sich sterblich hinein 
verliebte. Er ließ den Kutscher vor sich kommen und fragte, 
wen das Bild vorstellen sollte. Als der Kutscher sagte, daß 
das seine Schwester wäre, entschloß sich der König keine
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.