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denn die Zweige und Früchte wichen jedesmal vor ihnen
zurück. Da sprach der Ritter 'das ist ja wunderlich, daß
der Baum euch zugehören soll und ihr doch nicht Macht
habt etwas davon abzubrechen.' Sie blieben dabei, der
Baum wäre ihr Eigentum: indem sie aber so sprachen,
rollte Zweiäuglein unter dem Fasse ein paar goldene Äpfel
heraus, so daß sie zu den Füßen des Ritters liefen, denn
Zweiäuglein war bös, daß Einäuglein und Dreiäuglein
nicht die Wahrheit sagten. Wie der Ritter die Äpfel
sah, erstaunte er und fragte, wo sie herkämen. Einäuglein
und Dreiäuglein antworteten, sie hätten noch eine Schwe
ster, die dürfte sich aber nicht sehen lassen, weil sie nur
zwei Augen hätte, wie andere gemeine Menschen. Der
Ritter aber verlangte sie zu sehen und rief 'Zweiäuglein,
komm hervor.' Da kam Zweiäuglein ganz getrost unter
dem Faß hervor, und der Ritter war verwundert über seine
große Schönheit und sprach 'du, Zweiäuglein, kannst mir
gewiß einen Zweig von dem Baum abbrechen.' 'Ja,' ant
wortete Zweiäuglein, 'das will ich wohl können, denn der
Baum gehört mir' und stieg hinauf und brach mit leich
ter Mühe einen Zweig mit seinen silbernen Blättern und
goldenen Früchten ab und reichte ihn dem Ritter hin. Da
sprach der Ritter 'Zweiäuglein, was soll ich dafür geben?'
'Ach,' antwortete Zweiäuglein, 'ich leide Hunger und Durst,
Kummer und Not vom frühen Morgen bis zum späten
Abend: wenn ihr mich mitnehmen und erlösen wollt, so
wäre ich glücklich.' Da hob der Ritter das Zweiäuglein
auf sein Pferd und brachte es heim auf sein väterliches
Schloß. Dort gab er ihm schöne Kleider, Essen und Trinken