224
34.
Der Arme und der Reiche.
Vor alten Zeiten, als der liebe Gott noch selber auf
Erden unter den Menschen wandelte, trug es sich zu, daß er
eines Abends müde war und ihn die Nacht überfiel, ehe er
zu einer Herberge kommen konnte. Nun standell auf dem
Wege vor ihm zwei Häuser einander gegenüber, das eine
groß und schön, das andere klein und ärmlich anzusehen,
und gehörte das große einem reichen, das kleine einem
armen Manne. Da dachte unser Herr Gott 'dem Reichen
werde ich nicht beschwerlich fallen, bei ihm will ich an
klopfen.' Der Reiche, als er an seine Thür klopfen hörte,
machte das Fenster auf und fragte den Fremdling, was er
suchte? Der Herr antwortete 'ich bitte nur um ein Nacht
lager.' Der Reiche guckte den Wandersmann an vom Haupt
bis zu den Füßen, und weil der liebe Gott schlichte Kleider
trug und nicht aussah wie einer, der viel Geld in der Tasche
hat, schüttelte er mit dem Kopf und sprach 'ich kann euch
nicht aufnehmen, meine Kammern liegen voll Kräuter und
Samen, und sollte ich einen jeden beherbergen, der an meine
Thüre klopfte, so könnte ich selber den Bettelstab in die Hand
nehmen. Sucht anderswo ein Auskommen.' Schlug damit
sein Fenster zu und ließ den lieben Gott stehen. Also kehrte