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sich jedoch bald der herabstimmende Gedanken bei, daß
nunmehr auch das letzte Pfund Rohmaterial verarbeitet,
der Credit erschöpft, und eine Absatzquelle für die
fertige Waare noch nicht gefunden war. Cr suchte
nach einem Ausweg hin und her und griff endlich 311
dem Kalender. In dem darin befindlichen Verzeichnisse
der Jahrmärkte schlug er die Namen der umliegenden
Städte und Marktflecken nach. Auf dem Namen
Felspurk blieb sein Blick haften; an dem morgenden
Tag war Jahrmarkt dort. Er beschloß denselben zn
besuchen. Früh am Tag war er schon auf den Beinen,
den schweren Reifestock in der Rechten, das mit seinen
Waaren bepackte „Reff" auf dem Rücken und ein
Stück trockenes Brot in der Tasche. So schritt er auf
der Landstraße einher, dein kommenden Morgen entgegen.
Es war noch frühe am Tage, als er in Felspurk an
langte. Dort ging es ihm anfänglich bös. Niemand
kannte den jungen Meister, und dieser — selbst unbekannt
mit den örtlichen Verhältnissen — mußte sich schließlich
bequemen, von der Güte eines Handelsmannes Gebrauch
zu machen und seine Waaren auf dessen Packkisten aus
stellen. — Mittag war es bereits, und er hatte noch
kein Handgeld in der Tasche. — Schon machte er sich
mit dem Gedanken vertraut, vergeblich gehofft zu haben,
da erschien ein junges Mädchen, um sich Tuch zu
einem Sonntagskleid zu kaufen. Dem Mädchen gefiel
das Tuch, aber es feilschte laug. Endlich schlug er zu.
„Ihr habt Glück im Geschäft für Euer ganzes
Leben", sagte der Nachbar, als das Mädchen gegangen.
„Hätte es Euch verdacht, wenn Ihr die Dirne hättet
gehen lassen. Eine Jungfer bringt Glück!" —
„Werden sehen!" antwortete Meister Ludwig unb
calculirte, indem er das Geld einstrich, wieviel er ge
wonnen. — Er war damit zufrieden. —
Der Nachbar hatte Recht. Die Jungfer brachte
dem Meister Glück. — Nach ungefähr einer halben
Stunde kehrte das Mädchen in Gesellschaft von zwei
Genossinnen zurück.
„Gebt Acht, Nachbar; ich habe wahr gesprochen.
Ihr habt Jungfernglück!" sagte der Händler und machte
den Tuchmacher auf die drei Mädchen aufmerksam.
Meister Ludwig schaute auf und gewahrte die Drei,
welche emsig zusammen plauschten, und an ihren Gesten
erkannte er, daß seine Waare der Gegenstand ihrer
Plauderei war. — Zögernd traten sie endlich näher,
und die bausbackige Käuferin von vorhin nahm das
Wort:
„Meister, meinen Freundinnen gefällt das Tuch,
das ich bei Ihnen gekauft, sie wollen auch von dem
selben zu Kleidern!" Meister Ludwig, dazumal ein
statiöser, junger Manu, entwickelte alle seine Liebens
würdigkeit; die Mädchen verließ ihre Schüchternheit,
und sie fingen mit ihm zn scherzen au. Das lockte
andere Käufer herbei, und so wurde Meister Ludwig's
erster Markt ein prächtiger, der es ihm ermöglichte,
frische Wolle zu beschaffen. —
„Na, Nachbar, was habe ich gehört?" frug nach
einem Jahre derselbe Handelsmann den neben ihm feil
haltenden Meister Ludwig, welcher dieses Mal mit
einem schwerbepackten Schiebkarren denselben Jahrmarkt
zu Felspurk besuchte, „man kann Euch gratulircn?
Ihr habt auch Glück gehabt in Euerem Geschäft, wie
ich an Euerem Schiebkarren sehe; nun frisch zu, Ihr
werdet ebenso Segen in der Ehe haben, denn ich bleibe
dabei, Ihr habt Jungfernglück! Vergrößert Euer Ge-
schäft nun aber auch."
„Klein und rein, Nachbar!" antwortete der Meister.
„Ah bah; ich schieße Euch etliche Hundert Thaler
vor, wenn Ihr sie dazu bedürft."
„Ihr spottet, Nachbar. — Welche Bürgschaft
könnte ich Euch geben?"
„Euer Manneswort! Ihr seid thätig; Ihr seid
sparsam und — habt Jungfernglück. Greift zu; es ist
mein Ernst!"
„Und ich sage Euch, klein und rein; das ist mein
Wahlspruch. Solltet Ihr aber einmal zum Wollmarkt
etliches entbehren können, und ich wäre es benöthigt,
dann —"
„Dann kommt Ihr zu mir. — Was ich entbehren
kann, steht Euch zur Verfügung."
Die Ankunft des jungen Mädchens, welches vor
einem Jahr den Erftlingshandel mit ihm abgeschlossen
hatte, unterbrach an dieser Stelle die Unterhaltung der
beiden Männer.
Freundlich kam dasselbe auf den jungen Tuch
macher zugehüpft und reichte ihm die Hand: „Ich
dächte, Ludwig, Du wärest erst einmal vorgekommen,
bevor Du ausgepackt hättest!" sagte es, und der Ton
seiner Sprache sollte schmollend klingen, während er
gleichzeitig ein vertrautes Verhältniß mit dem Meister
verrieth.
„Erst das Geschäft, meine Liebe!" entgegnete dieser
und schüttelte dem Mädchen die Hand. „Dachte ich doch,
daß Du vorkommen würdest und wollte meinen Besuch