264 Horazischer Sendschreiben
wußte sich in jede Tracht*, in jedweden Stand und
Lebensart zu schicken; und obgleich er mit dem,
was er hatte, so ziemlich zufrieden war, so unter
ließ er doch nicht, nach höhern Dingen zustreben**.
Da hingegen e§ ein groß Wunder wäre, wenn
ein Diogenes, der unter einem Mantel, den er
*** doppelt über die Schulter geschlagen, mit Ge
duld und sanftem Muthe wider die Kälte bedeckt
zu seyn scheinet, zu einer andern Lebensart f sich
beqvemen sollte ff. Ein Aristipp, wenn er an
Hof gehen will, wird nicht erst lange warten, daß
man ihm ein kostbares Purpurkleid bringe: er
mag anhaben, was er wolle, so wird er in die
größte und vornehmste Gesellschaften fff gehen,
und die Rolle von einem armseligen Weltweisen,
mit eben so guter Anständigkeit spielen, als wenn
er einen Hofmann vorstellet: anstatt daß der an
dere 4 vor einem aus milesischer Wolle verfertig
ten köstlichen Mantelrock 4k wie vor einem tollen
Hunde oder einer giftigen Schlange fliehen wird:
lieber wird er #4 für Frost und Kälte umkom
men wollen, wenn man ihm seine alte kahle Lum
pen nicht wieder zustellet *. Gieb ihm demnach
ja seines wieder, und laß den Narren bey seinem
thörichten Eigensinne **. Rühmliche Thaten im
Felde
* in Zeit und Gelegenheit
** um seinen Zustand immer
besser zu machen
*** aufs bloße Hemd
4 als der seinigen
tf aestalter zu nichts weniger
als zu einem Hofmanne auf
gelegt war
fff ohne sich zu scheuen,
* Diogenes,
ff weil er dessen gar nicht ge
wohnt,
ffH: wie ehedessen km Bade, bey
ftiner Nacktheit und Blöße
* ehe er des AristippuS mit
Fleiß verwechseltes Purpur
kleid anzulegen sich ent
schlösse
** als der zum Umgänge Mit
Menschen verdorben ist