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günstigtet sie noch. Der ernsten Liebe des Jüng
lings zur Jungfrau aber stemmtet Ihr Ench mit
aller Macht entgegen, denn eine unüberbrückbare
Kluft ließ eine Verbindung fürs Leben in Euren
Augen als unmöglich erscheinen. Du, der streng
fromme Jude, und der Nachbar, der gläubige
Christ, Ihr erkanntet die Scheidewand, die uns
trennte. Wohl versuchtet Ihr dem Uebel zn steuern,
warntet, ermahntet, belehrtet Ihr uns ob unseres
thörichten Beginnens uub beleuchtetet Ihr uns die
„falschen Pfade", die wir wandelten, und die nur
einem unsäglichen Elende entgegenführen konnten.
Doch vergebens! Die heißen Liebesgluthen hatten
ganz unsere Herzen erfaßt, und keine Warnung,
keine Drohung vermochte sie zu erkalten. Nein,
gerade die unausgesetzt uns bereiteten Hindernisse
sachten die immer höher auflodernden Herzens
flammen noch mehr an. Ja, der letzte Rest der
Liebe zu den Eltern, zum Glauben, ward durch
sie verdrängt. Wir einigten uns, Zu fliehen, um
im Auslande den Bund fürs Leben zu schließen.
Zuvor aber richtete ich an Dich, lieber Vater, ein
Schreiben, — Du erinnerst Dich dessen gewiß noch,
— in welchem ich Dich mit meinem Vorhaben be
kannt machte. Ich theilte Dir mit, daß ich von
meiner Anna nicht lassen könne, daß ich, da sie
mein Weib werden wolle, auch ihren Glauben an
nehmen werde, um so die Verbindung zu erleichtern!
Mir ward es schwer, Dir dies Herzeleid zu be
reiten, aber die Umstünde erforderten diesen Schritt