Full text: Auf falschen Pfaden

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mit sich selbst ihren Gefühlen Ausdruck geben. 
Das Gerede der Welt wurde sie vielleicht gleich 
gültig gelassen haben, hätte man sie auch nach so 
sehr verdammt, verketzert. Die bittersten Schmäh 
worte uiti) die verletzendsten Stachelreden würden 
sie ihrem vermeintlichen Liebesglücke nicht entrissen 
haben. 
Selbst der Mutter hartes Wart, die nie 
ihrem Verlangen willfahren würde, der Gram 
und Kummer ob ihres Abweges würde sie keines 
wegs gehindert haben, dem Zuge ihres Herzens 
zu folgen. Sie würde dieserhalb ihr Herzens 
geheimniß nicht so ängstlich gehütet haben, sie 
hätte allem Trotz geboten. Hatte doch ihre ganze 
Denkweise, seitdem sie sich ihrer verbotenen Liebe 
bewußt geworden war, eine viel freiere Richtung 
angenommen, infolge dessen sie sich über so manche 
Scrnpel hinwegsetzte. Nimmer aber mochte sie zn 
dem reden, der sie täglich, stündlich mit unwider 
stehlichem Zanberbanne, vielleicht unbewußt, gefesselt 
hielt. Ja, gerade er durfte nicht ahnen, was sie, 
die Tochter seiner Herrin, die Jüdin, für ihn, den 
Nichtjuden, hegte. 
Ein Gefühl des Zagens und des Bangens aber 
beschlich sie, wenn sie erwog, was der Geliebte für 
sie fühlen möge, wie er ihr, so er ihre tiefe Nei 
gung zu ihr erkannt, begegnen würde. 
Würde er sie vielleicht nicht höhnen? Würde 
er sie, das Jndenmädchen, nicht mitleidig, spöttisch 
von sich weisen.
	        
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