Full text: Tlavatli

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er: „Sie werden schon merken, daß Ihre Stellung hier an einem Paar 
hängt." Damit entfernte er sich ohne Gruß." 
„Lieber Perr Doktor, ich habe meine Anna nicht wiedergesehen! Ihr 
Vater, den ich aufsuchte, um jetzt offen um ihre Land anzuhalten, war 
nicht zu sprechen, er ließ mir aber freundlichst sagen, er schlüge mich tot, 
wenn ich mich wieder auf seinem Pof blicken ließe; Briefe, die ich ihm 
schrieb, erhielt ich ««eröffnet zurück. Nun sollte ich aber noch kennen 
lernen, was es heißt, die hohe Geistlichkeit zum Feinde zu haben. Schon 
vom Seminar her, wo mir gute Bücher zur Verfügung standen, hatte 
ich eifrig das Studium der altgermanischen Götterlehre, der Edda betrieben, 
ohne damals zu ahnen, daß mich das zum Fall bringen sollte. Eines 
Morgens gab ich meiner Klasse Religionsunterricht, in den ich, wie schon 
häufig, mancherlei religiöse Anschauungen unserer Ahnen verflocht, als der 
Perr Pastor in die Klaffe trat und eine zeitlang meinem Vortrag zuhörte. 
Plötzlich unterbrach er mich mit einem energischen „Palt! Dieser Frevel 
übersteigt denn doch alles! Wie können Sie sich unterstehen, in einer 
christlichen Schule heidnischen Aberglauben zu lehren? Perr, ich lasse Sie 
sofort vom Amt suspendieren!" — Aber, Herr Pastor", entgegnete ich 
eingeschüchtert, „ich habe doch nur Parallelen gezogen, zwischen einst und 
jetzt, ich habe " — Da, wohl durch das laute Sprechen des 
Pastors herbeigerufen, erschien der Schulleiter, auf den der fromme Seelen 
hirte sofort einredete, mich als schwarzes Schaf schilderte und eine so 
fortige Enthebung vom Unterricht verlangte. Mit einem freundlichen weh 
mütigen Blick bat mich der Schulleiter, nach Pause zu gehen und weitere 
Entscheidung abzuwarten. — Nun, 14 Tage später hatte ich die Ent 
scheidung, einen Brief der zuständigen Behörde, in Pänden; er besagte, 
daß ich wegen unqualifizierbaren Betragens in der Schule dauernd aus 
dem Lehrerstand eliminiert worden sei. Infam kassiert würde man das 
bei einem Offizier nennen, nur daß dort dafür ganz andere Gründe ob 
zuwalten pflegen. Ich mußte lachen über die recht unterschiedlichen Moral 
sorten, die es in der Welt gibt: Ein Offizier hätte ganz ruhig in alt 
germanischer Mythologie schwelgen und ich ebenso eine Forderung mich 
zu duellieren ablehnen dürfen, ohne daß man uns eliminiert — infam 
kassiert — hätte. Bah! was wollte ich nun noch? Die Braut verloren, 
die Lebensstellung verloren, ich konnte gehen. — Einige Tage darauf be 
fand ich mich in Berlin; fast ohne Poffnung erließ ich eine Anzeige in 
der Vossischen Zeitung: „Ein junger Botaniker sucht Beschäftigung in 
seinem Fach." Ich hatte Glück! Der bekannte Dr. zum Felsen schrieb mir, 
daß er einen Botaniker als Begleiter auf seiner wissenschaftlichen Reise 
nach Südamerika suche. — So wurde ich der Famulus des großen Natur 
forschers und Ethnologen, bereiste mit ihm mehrere Jahre Brasilien, Bo 
livien und die Laplatastaaten. Von der brasilianischen Provinz Matto 
Grosso aus schrieb ich einmal an Anna, ich bat sie, mir zu antworten, 
ihren Brief postlagernd nach Cuyabä in Matto Grosso zu richten. Was 
ich kaum zu hoffen gewagt, geschah: ich fand nach längerer Abwesenheit 
ihr liebes Schreiben in Cuyabu vor. Sie hängt nach wie vor in treuer 
Liebe an mir und setzt allen Versuchen ihres Vaters, sie zu verheiraten, 
hartnäckigen Widerstand entgegen."
	        
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