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wie traumverloren entgegensah. Justus drückte ihr die Äand. „Vergiß diese
Stunde nicht. Du liebes schönes Kind!" sagte er aus warmem Lerzen.
„Nie, nie!" rief Surabi schluchzend, Tränen stürzten aus ihren Augen.
— Noch ein Wink, und die Reiter waren hinter dichtem Gebüsch den
Blicken der Äindumädchen entschwunden.
Nach einem viertelstündigen Ritt gelangten Justus und sein Diener
auf die freie Ebene, die nur hier und da von niederern Strauchwerk und
einzelnen Akazien bestanden war, in der Ferne sahen sie bereits Nibari
liegen. Ein Trupp wildaussehender Gebirgsgaros marschierten an ihnen
vorbei, ihr Anblick machte auf Justus einen unbehaglichen Eindruck, sollte
er doch am übernächsten Tag ihre recht intime Bekanntschaft machen, sie
im eigenen Nest aufsuchen. And nicht einmal seine treue Mauserpistole
durfte er mitnehmen, das war ihm noch das Anbehaglichste von allem.
Lieber ließ er seine Gedanken zurückschweifen zur lieblichen Surabi. Das
Mädchen hätte ihm wohl bei längerem Bekanntsein gefährlich werden
können. Er begriff sich selber nicht! war er doch tatsächlich etwas aus dem
Gleichgewicht gebracht. Empfindungen, Wünsche und Gefühle, die er trotz
seiner jungen Jahre für längst überwunden gehalten hatte, schienen neu
erwachen zu wollen. Fast mußte er sich zwingen, seine Gedanken auf Sankha
und die Erlebnisse im Buddhatcmpel zu richten, doch gelang es ihm bald,
sich in tiefste okkulte Dinge zu versenken, auf die sein geschulter Geist so
willig einzugehen verstand, daß das jüngste Ereignis verblaßte, in den
Hintergrund gedrängt wurde. Spät am Nachmittag langten sie in Nibari
an, woselbst das Marktgetriebe noch im vollen Gange war und sogar
mancherlei Sehenswürdigkeiten, wie Gaukler und Tänzerinnen das Volk
erfreuten. Nichtig, dort stand auch ein struppiger in Lumpen gekleideter
Vogi, vorr einer gaffenden Menge umgeben, der er düstern Blickes seine
Künste vormachte. Diese Vogis, von den Europäern fälschlich „Fakire"
genannt, Pflegen ja nirgend zu fehlen, wo unterhaltungsbedürftiges Volk
sich einfindet. Justus hatte Sankha wegen dieser über ganz Indien ver
breiteten „Zauberer" befragt, die doch unmöglich mit einem Mann, wie
Gurubad, auf gleicher Stufe stehen konnten. „Nein das ist auch nicht der
Fall", hatte ihm der Meister geantwortet, „es sind Leute, immerhin stark
spirituell veranlagt, die einen Brocken Geheimwissenschaft erwischt haben,
mit dessen Ausbeutung sie ein träges armseliges Leben führen. Meist be
steht ihre Begabung nur darin, suggestiv auf ihr Publikum einzuwirken,
dieses oft recht erstaunliche Dinge sehen lassend, die in Wirklichkeit gar
nicht vorhanden sind."
Justus erinnerte sich der Erzählung eines Hamburger Herrn, der für
eine Schweizer Firma überall in der Welt photographische Aufnahmen ge
macht hatte. Dieser Herr berichtete von einem eigentümlichen Vorkommen
in Benares in Indien, das für Sankhas Erklärung den vollsten Beweis
erbrachte. Der Verlauf der Sache war folgender: In Benares, der uralten
Tempelstadt, fand ein religiöses Fest statt, zu dem viele Menschen von
Nah und Fern geeilt waren. Der Deutsche fand hier eine günstige Ge
legenheit typisch indische Volksszeneu aufzunehmen. Zwei ihm gut bekannte
englische Maler hatten ihn aufgefordert, sie mit frisch geladener Film
kamera zu einem Vogi zu begleiten, der hinter dem Tempel der Göttin