Full text: Tlavatli

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Frage schon, wenn nicht gelöst, so doch der Lösung nahe gebracht: Kant 
mit seinem „Ding an sich" und Robert Meyer mit dem zuerst von ihm 
erkannten Gesetz von der „Erhaltung der Energie". Daneben beachte den 
Ausspruch des englischen Physikers Lord Kelwin, der sagte: „Je länger 
ich mich mit der Materie beschäftige, desto mehr verflüchtigt sie sich, ich 
kenne in ihr nur noch Krastzentren". Ferner halte Dir auch das gegen 
wärtig, was Sanskritschriften über die Körverwelt sagen, sie nennen si- 
„Maya", d i. Schein. Truabild. Täusckmna. — Also kurz: Kraft und 
Stoff s'ind^ay elt>(H Im letzten Grunde besteht zwischen ihnen kestffgröflerer 
Unterschied als etwa zwischen Magnetismus und Elektrizität. Ich will 
es Dir genauer erklären: Deine^sünff Sinne sind Differenzierungen des 
einen Arsinns, den wir Empfindungsvermögen nennen wollen." Die Nerven 
'berSinnesorgane werden durch äußere Einflüsse angeregt, jeder nach seiner 
Art den erhaltenen Einfluß oder Anstoß in Form von Vibrationen auf 
das Gehirn zu übertragen. Sprechen wir vorläufig von Auge und Ohr, 
da ist Dir wohlbekannt, daß dieser Anstoß in Strahlen oder Schwing 
ungen besteht, sie gehen von einer Licht- resp. Schallquelle aus. Licht 
und Schall als solche existieren also gar nicht, sondern nur zwei Schwing 
ungsgattungen, die erst in Deinem Äirn den Eindruck der beiden hervor 
rufen. — Was nun für Seh- und Gehörnerven gilt, muß konsequenter 
weise auch für die des Geruchs, Geschmacks und Gefühls Geltung haben 
— wir sind ja Monisten! — immer können es nur Schwingungen sein, 
die den Anreiz auf sie ausüben, einfache Logik verbietet uns, verschiedene 
Ursachen anzunehmen. And nun Robert Meyer mit seinem Gesetz von 
der Erhaltung der Energie. Er bewies, daß Licht, Schall, Magnetismus, 
Elektrizität, Wärme rc. nichts weiter als Kräfte, Schwingungserscheinungen, 
Modifikationen, ich sage am besten: „der Kraft", die als Einheit gedacht 
werden muß, sind, denn eins läßt sich in das andere umwandeln und in 
der Praxis so oder so nach Belieben verwerten. Jetzt bliebe also nur der 
Stoff über, der etwas der Kraft Entgegengesetztes, Totes darstellen soll, 
trotzdem ja auch ihm wieder innewohnende Kräfte, ohne die er gar nicht 
denkbar ist, wie Kohäsion, Adhäsion und Gravitation zugesprochen werden. 
Tieferblickende geben ja wohl zu, daß die beiden ersten nur Ab- oder 
Anterarten der letzteren, aber doch immer am Stoff vorhanden sind. Nun 
merke auf! So wenig Strahlen oder Schwingungen dem Lichte anhaften, 
sondern das Licht selbst sind, ebensowenig haften Schwerkraftstrahlen dem 
Stoffe an, sondern sie sind der Stoff an sich. Das will heißen: daß, 
wenn ich dem Stoff die Schwere nähme, er genau so für die Sinne un 
wahrnehmbar geworden wäre, wie ein ausgeblasenes Licht, dessen Schwing 
ungen wir damit aufgehoben hätten, er existierte nicht mehr, wenigstens in 
dieser Form nicht mehr. Last Du mich verstanden?" 
Justus, der mit höchster Spannung zugehört hatte, atmete tief auf. 
„Gewiß", rief er, „jetzt begreife ich, wie Kant's Ding an sich oder die 
Maya der Sanskritautoren aufgefaßt werden soll. Mit dieser Erklärung 
ist mit einem Schlage der Monismus gerettet, gleichzeitig aber ist er auch 
aus grobem Materialismus in das höhere Gebiet des Geistigen gehoben 
worden. — Welcher Art mögen die Schwingungen wohl sein, die uns 
als Körper erscheinen? vermutlich ungeheuer schnelle."
	        
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