Amnestie verspräche. Außerdem würde ihre Goldgier schon nicht zulassen,
uns zu schonen. Wie mögen sie überhaupt wohl Kenntnis davon erhalten
haben, daß hier Gold zu finden ist?"
Wieder griff der aus dem Zylinder mit der zweiten Platte auftauchende
Zes Jürgen in das Gespräch ein, indem er antwortete: „Der Smuttje
Franz Roth hat geschnüffelt und zugesehen, wie ich das erste Gold an
Bord brachte."
„Franz Roth? Farbenname!" brummte Eisenbarth. „Kann's mir
denken, daß der uns die Geschichte eingebrockt hat. Der schlich schon um
uns herum, als wir das erste Mal hier waren und Sie, Herr Doktor,
vom Tauchen eine Goldprobe heraufbrachten. Davon muß er in Äamburg
erzählt haben. Wir fanden ja gleich, daß die neuen Leute, die wir anheuerten,
alle so was Abenteuerlustiges an sich hatten. And nun haben wir die
Bescherung!"
Der Doktor entgegnete nachdenklich: „Sie mögen Recht haben! Dock-
alle die andern erprobten Leute, wie Pennau und Iahn zum Beispiel,
von denen kann ich mir solche Antat gar nicht vorstellen." Still für sich
fügte er hinzu: „Freilich von Wilhelm auch nicht!" And siedend heiß wallte
es wieder in ihm auf, aber energisch unterdrückte er das lähmende Weh,
das seine Rettung und die der Gefährten nicht hindernd beeinflussen durfte.
Nachdem alles Gold an Bord gebracht, unter den Bodenbrettern des
Bootes verstaut und der Zylindcrdeckel verschlossen war, traten sie ihre
Reise nach den Kanarischen Inseln an, sie steuerten Nordostost. Das war
die ungefähre Richtung, die Justus später korrigieren konnte, wenn sie den
Pic von Teneriffa sichteten, worüber allerdings Tage vergehen mußten.
Der Wind war nicht stark, doch gleichmäßig und günstig, so daß das
schlanke Boot gute Fahrt machte. Alle zwei Stunden lösten sie sich am
Steuer ab, am Tage wie in der Nacht. Geschlafen wurde auf dem harten
Schiffsboden, Decken waren nicht vorhanden, trotzdem bedeutete die Anbc-
quemlichkeit dieses Ausruhens für Justus jedesmal ein Vergessen seines Leids.
Die Anterhaltung zwischen Eisenbarth und Zes Jürgen war recht
lebhaft, während der Doktor nur gelegentlich eine klärende Bemerkung
äußerte, wenn ihre, besonders Eisenbarths entfesselte Phantasie hinsichtlich
der Meuterei auf der Lammonia gar zu wild ins Kraut schoß. Beide
aber vermieden taktvoll Tlavatlis oder Zamphiropolos Namen auszusprechen,
sie verstanden und ehrten den Schmerz ihres verehrten Äerrn Doktors.
Eisenbarth hatte einmal wieder einen aufregenden Vortrag gehalten,
in dem die Seeräuberromane, die er während seiner Präparandenzeit gelesen,
mit allen ihren Schrecknissen eine Rolle spielten, zum Schluß fragte er:
„Wissen möchte ich nur, ob alle samt und sonders auf der Äammonia
von wilder Goldgier erfaßt sind, oder ob einige ehrlich und treu blieben,
und ob man diese dann über die Planke ins Meer gestürzt, totgeschlagen
oder niedergeknallt hat?" Seiner Meinung nach waren diese drei Todes
arten altehrwürdige Gepflogenheit der Seeräuber, von der sie ungern wichen.
Justus lächelte, er sagte: „Lieber Lerr Eisenbarth, ich glaube, man
wird glimpflicher mit diesen Leuten verfahren sein, wir selber sind ja der
Beweis dafür, daß sogar Meuterer heute humaner handeln, als es früher
in Ihren Seeräuberzeiten der Fall war."
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