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wie ich Dir schon sagte, ist für uns das gelbe Metall sehr begehrenswert.
Ich für meine Person erhebe keinen Anspruch daran, doch meine gesamte
Schiffsmannschaft könnte damit glücklich gemacht werden. Die Leute ver
dienen schon deshalb reichen Lohn, weil wir unser Glück ihrer Beihilfe
verdanken; erlaubst Du also, daß wir heraufholen, was heraufzuholen ist?"
Erstaunt blickte Tlavatli auf: „Was fragst Du mich danach? Es ist
ja niemand da, der Dir irgend etwas streitig machen könnte."
„Doch liebes Kind, Du selber! Ist doch alles Dein Eigentum, über
das nur Du das Bestimmungsrecht hast."
Da lachte sie herzlich: „Was sollte ich schwaches Mädchen gegen so
viele kräftige Männer ausrichten können?"
Justus schüttelte den Kopf, ernst sagte er: „Du vergißt, daß wir
ehrliche Leute sind. Oder war es bei Euch allgemeiner Gebrauch, daß sich
jeder nahm, was er wollte, falls keine Gefahr für ihn damit verbunden war?"
„Allerdings! Daher schützte jeder seinen Besitz so gut er konnte, er
mochte fremde Eindringlinge töten. Der Stärkere hat ja immer Recht!"
„Aber Tlavatli, da herrschten ja rein anarchistische Zustände bei Euch,
das Leben muß dort fast unmöglich gewesen sein!"
„Wie's die Anbemittelten anfingen, sich der Stärkeren zu erwehren,
weiß ich nicht. Wir wurden von vielen gutbewaffneten Leuten bewacht,
nie verließ ich unsere Gärten, ohne daß mich eine genügende Anzahl dieser
begleitete, ebenso war es bei allen andern Großen Rmoahalas. Ansere
Läufer waren stark gebaut, Mauern umgaben sie, und so leicht konnte
niemand gegen den Willen ihrer Besitzer hineingelangen, denn immer waren
Bewaffnete zu ihrer Verteidigung bereit."
Justus mußte unwillkürlich an die mittelalterlichen Zustände Deutsch-
lands denken, an die ewigen Fehden und Kämpfe, an jene Zeit, in der
auch noch bei uns das Recht des Stärkeren galt, er sagte: „Run, auch
in meinem Vaterlande haben in frühern Jahrhunderten ähnliche gesetzlose
Zustände geherrscht, sie haben indessen längst einer geregelten Ordnung
Platz gemacht. Leute achten wir jeden und lassen jedem das Seine. Wohl
kommen auch heute noch Diebstähle und Gewalttätigkeiten vor, doch schützt
uns der Staat kräftiger dagegen, als es sonst der Einzelne auch mit den
besten Lilfsmitteln vermöchte."
„Das sind Gedanken", bemerkte Tlavatli, „die ich meinem Vater ge
legentlich äußern und mit seinen Ratgebern besprechen hörte. Doch da
ihm Rmoahalas baldiger Antergang bekannt war, ist wohl so gut wie nichts
geschehen, eine Besserung anzubahnen. Ich glaube überdies nicht, daß es
genützt hätte, denn mein Onkel Ahlan und viele Leute seines Schlages
waren mit den Verhältnissen, wie sie lagen, ganz einverstanden." Dann
fügte sie neckisch hinzu: „Den goldenen Tempel schenke ich Dir, verteile
das gelbe Metall unter Deine Leute, mache sie glücklich!" —
Die beiden nächsten Tage mit ihren Taucharbeiten verliefen ziemlich
resultatlos, obgleich Justus jedes Mal sehr lange unter Wasser blieb.
Tlavatli hatte ihm die Lage ihrer Zimmer angegeben, die etwa 10 Schritte
westlich vom Schlafzimmer ihres Vaters gelegen hatten. Lier unter mächtigen
Steintrümmern fand Justus endlich eine ungefähr handgroße, stark verbogene
Goldplatte. Das war die einzige Ausbeute der mühseligen Arbeit, doch