Full text: Tlavatli

so ganz mein ist, mag ich nicht mit anderen teilen." Er trat mit ihr vor 
den Spiegel. „Lind siehe, bist Du nicht auch so schön?" 
Sie betrachtete lange ihr Gesicht, dem die Umrahmung des Weißen 
Tuches, unter dem überall die schwarzen Locken hervorquollen, das das 
Feuer der großen Augen noch stärker leuchten ließ, nur einen neuen Zau 
ber verlieh. „Ja," sprach sie, „auch so bin ich schön!" 
Justus geleitete seinen holden Gast sorgsam auf das Oberdeck. Rings 
breitete sich das weite Meer aus; in dieser Anendlichkeit erschien die stolze 
Jacht klein, verschwindend klein. Tlavatli mochte sich bedrückt fühlen, leise, 
wie zu sich selber sprach sie: „Versunken im Meer ist alles, ich bin allein!" 
„Das bist Du nicht, Geliebte! Alles, was ich bin und habe, ist 
Dein! And wäre es ein Königreich, ich würde es Dir unter die weißen 
Füße legen!" 
Tlavatli lächelte stolz: „So will ich wenigstens die Königin, die Göt 
tin dieses Schiffes sein!" 
Auch Justus lächelte, er reichte ihr mit den Worten: „So komm 
denn, ich will Dir Dein Reich, Deine Antertanen zeigen," die Äand, lang 
sam mit ihr zum Mitteldeck schreitend, woselbst die gesamte Mannschaft 
Aufstellung genommen hatte. 
Ein Raunen und Murmeln ging durch die Leute, es war der Aus 
druck des Staunens, der Bewunderung. Zamphiropolos hatte nicht zuviel 
gesagt, als er die Schönheit und den Liebreiz der aus dem Ozean Er 
standenen in schier überschwenglichen Worten schilderte. 
Kapitän Pennau trat vor, in der Land hielt er eine rote Nelke, die 
einzige Blume, die an Bord aufzutreiben gewesen war. Frau Pennau 
pflegte einige Blumenstöcke, sie freute sich, daß wenigstens die Nelke seit 
gestern den ersten blühenden Ertrag geliefert hatte. Der Kapitän hielt 
eine seiner beliebten Reden, er sprach: 
„Für uns Seeleute ist es immer ein großes Vergnügen, wenn uns 
schöne Frauen an Bord besuchen. Wenn nun gar, wie hier, Amphitritc, 
die Gemahlin Neptuns, gewissermaßen selbst aus den Tiefen des Ozeans 
an Bord kommt, und wenn sie noch dazu in so viel Schönheit prangt, 
wie Sie, Fräulein, so ist uns das nicht bloß ein Vergnügen, sondern ge 
wissermaßen auch eine Ehre. Ich begrüße Sie im Namen der Mannschaft 
und überreiche Ihnen freudig eine liebliche Blume, die gewissermaßen aus 
den Planken der Kammonia hervorgewachsen ist. Meine Damen und 
Herren, stimmen Sie mit mir in den Ruf ein: „Amphitrite, die Blume 
des Meeres, sie lebe hoch!" 
Er überreichte die Nelke, das Äoch wurde ausgebracht, und Justus 
versuchte, den Sinn der krausen Rede möglichst gut in Sanskrit wieder 
zugeben. Der Dame machte die Ansprache Freude, besonders der Vergleich 
mit der Meeresgöttin, sie reichte Pennau huldvoll die Land, die er in 
seiner Bärentatze fast zerquetschte. 
Alles an Bord schaute sie sich mit Interesse und kindlichem Ver 
gnügen an, überall erklang ihr tiefes, glockenreines Lachen. Der bunte 
Flaggenschmuck, die vielen saubern Räumlichkeiten, das Anknipsen des 
elektrischen Lichts, die Küchen und nun gar der Maschinenraum mit seinem 
blitzenden Gestänge. Oft genug kostete es Justus übrigens Mühe, die not- 
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